: Trauriger Bericht aus Bethlehem
Norbert Burger, Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Bethlehem, kritisiert die Ausgrenzung der Palästinenser, warnt aber vor einer pauschalen Verurteilung Israels
Köln taz ■ „Nach meiner Ansicht ist das Krieg und Besatzung.“ Kölns Altoberbürgermeister Norbert Burger (SPD) nahm kein Blatt vor den Mund. Der Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Bethlehem berichtete am Mittwoch Abend im Domforum über die aktuelle Lebenssituation der Palästinenser in Bethlehem. Erstmals seit dem Beginn der zweiten Intifada im September 2000 war Burger im Oktober mit einer kleinen Delegation in die Partnerstadt Kölns gereist.
Bethlehem sei inzwischen durch die israelische Sperranlage zu einem großen Teil eingemauert, berichtete Burger. Acht Meter hohe Betonwände und hohe Stacheldrahtzäune umgäben die Stadt. „Die Stadt ist von drei Seiten eingeschlossen.“
Burger war sichtlich beeindruckt von der trostlosen Lage im Westjordanland. Israelisches Militär könne jederzeit überall auftauchen, Anordnungen treffen und Straßen sperren. Allein um Bethlehem erschwerten 18 Checkpoints die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung. Die Folgen: Nur noch 7.000 Touristen im Monat reisten nach Bethlehem – statt wie ehedem 130.000. „70 Prozent der 60.000 Einwohner Bethlehems sind durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch arbeitslos“, so Burger. Bauruinen und eine Auswanderungswelle prägten das trübe Bild der Stadt.
Eine Frau aus dem Publikum, die Kinderkrankenschwester Ursula Löser, hat zweieinhalb Jahre im „Baby Caritas Hospital“ in Bethlehem gearbeitet. Sie bestätigte die Schilderungen Burgers. „Jeden Tag finden Menschenrechtsverletzungen durch das israelische Militär statt.“ Willkürlich kämen die Besatzer in Häuser, zerstörten Wassertanks oder stellten den Strom ab. Mitte 2002 kehrte die Entwicklungshelferin nach Köln zurück. Seitdem habe sich die Lage nicht verbessert, sagte Löser, die regelmäßig mit Freunden in Bethlehem telefoniert.
Bei der Bewertung der israelischen Politik zeigte Burger eine differenzierte Haltung. So habe er durchaus Verständnis für die israelische Argumentation, man müsse sich mit dem „Mauerbau“ vor Selbstmordattentaten schützen. „Aber sie bauen auf palästinensischem Gebiet“, kritisierte der Ex-OB die Scharon-Regierung. Trotzdem müsse man mit seiner Kritik an Israel sehr vorsichtig sein, warnte Burger. „Sonst hat man schnell etwas Falsches gesagt.“
Solche Befürchtungen hat Walter Herrmann sicher nicht. Seit April diesen Jahres steht er mit seiner israel-kritischen Klagemauer auf der Domplatte. „Wir haben bereits 45.000 Unterschriften gegen die israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik gesammelt“, erklärte Herrmann, der wie jeden Tag vor dem Domforum stand. In seinem Aufruf heißt es, die Israelis errichteten auf palästinensischem Gebiet eine „Apartheid-Mauer“. Herrmann fordert daher von der Bundesregierung eine „unmissverständliche Distanzierung von den völkerrechtswidrigen Praktiken der Scharon-Regierung“.
Diese Initiative kam am Mittwoch auch im Domforum zur Sprache: „Wieso solidarisiert sich der Partnerschaftsverein nicht mit der Klagemauer von Walter Herrmann“, fragte ein Zuhörer in Richtung Burger. Der reagierte auf dieses Ansinnen äußerst vorsichtig. Er wisse von keiner Anfrage. Außerdem seien Unterschriftensammlungen in diesem Konflikt „nutzlos“. „Es hat schon 16 oder 17 UN-Resolutionen dazu gegeben, aber die Israelis interessiert das nicht“, so Burger. Dass er nicht gerade ein Freund von Herrmanns Anliegen ist, war ihm dabei anzusehen.
Auch bei weiteren Fragen aus dem Publikum, was denn der Partnerschaftsverein Bethlehem-Köln noch tun könne, blieb er äußerst zurückhaltend. „Wir können nur informieren“, erklärte er. Doch trotz der trostlosen Lage gab sich Burger am Ende hoffnungsvoll. Der Tod Arafats und die anstehenden Wahlen in den Palästinensergebieten böten auch eine Chance auf Frieden. Thomas Spolert