: Ahlhaus spielt Schanzensheriff
VERFASSUNGSSCHUTZ Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) will das Schanzenfest verbieten. Eine Zunahme gibt es jedoch vor allem bei den rechten Gewalttaten
VON PETER MÜLLER UND ANDREAS SPEIT
Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) hat bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2008 Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose persönlich scharf angegriffen. Er erteile Rose die „rote Karte“, so Ahlhaus. Es sei „unerträglich“, dass Ver.di zusammen mit „Avanti“ eine Broschüre zur NPD herausgebe, in der Rose ein Vorwort schreibe, obwohl „Avanti“ vom Verfassungsschutz als „linksextremistisch“ eingestuft und beobachtet werde. „Ich glaube nicht, dass der Ver.di-Chef für seine Mitglieder spricht“, so Ahlhaus.
Ver.di und Avanti hatten kurz vor dem 1. Mai die Broschüre herausgegeben, um den Rechten „weiterhin konsequent entgegen zu treten – argumentativ, persönlich und ganz praktisch“, so Rose. Titel der Broschüre: „Die Reihen fest geschlossen … Anatomie der Hamburger NPD und ihres Umfeldes.“ Was Ahlhaus erbost: In der Broschüre wird der Verfassungsschutz in Frage gestellt. „Die erfolgreiche engagierte Arbeit ist unverzichtbar für die Demokratie“, stellte sich der Innensenator vor die Geheimdienstler. Rose konterte, wer vom Verfassungsschutz beobachtet werde, sei damit noch „nicht automatisch verfassungsfeindlich“.
Der Innensenator attackiert auch die linke Szene im Schanzenviertel. Jedes Jahr veranstalte diese unangemeldet das Schanzenfest (mit zuletzt 8.000 BesucherInnen), bei dem am Abend regelmäßig zu „ritualisierten Randalen“ komme. Zwar übernehme bei den Krawallen – wie auch an diesem 1. Mai – „zunehmend ein unpolitisches Klientel“ die Führung. Diese sei „erlebnisorientiert“ und sehe „einfach nur Krawall als Event“.
Dennoch kündigte Ahlhaus an, er werde ein unangemeldetes Fest am 4. Juli nicht dulden. „Auch der friedliche Teil des Festes muss auf rechtliche Beine gestellt werden.“ Nur weil einige Leute „keine Lust auf Rechtsstaat“ hätten, würden „rechtsfreie Räume“ nicht geduldet. Immerhin: Die Polizei werde „mit Augenmaß“ vorgehen.
Verfassungsschutz-Chef Heino Vahldieck erklärte in seinem Bericht, „zentrale Aufgabe“ seiner Organisation bleibe die Beobachtung der islamistischen Szene und von Anhängern einer „Dschihad-Ideologie“ des „Heiligen Krieges“. In Hamburg belaufe sich die Zahl der Islamisten auf 2.000 Personen, von denen jedoch nur 200 gewaltbereit und 50 als direkte und logistische Unterstützer des bewaffneten Kampfes gelten.
In der radikalen linken Szene, deren Aktivitäten sich auf den antifaschistischen und antirassistischen Bereich konzentrierten, verbucht der Verfassungsschutz einen Rückgang um fast 300 Personen auf 1.200 Akteure. Laut Vahldieck habe das damit zu tun, dass nicht mehr die ganze Linkspartei im Visier des Verfassungsschutzes sei, sondern nur noch deren revolutionär-marxistische Teile.
Einen erschreckenden Anstieg verzeichnet der Verfassungsschutz bei den „rechtextremistischen Straftaten“ (369 Delikte), insbesondere bei den Gewalttaten. Dort ist die Zahl von 22 im Jahr 2007 auf 45 hochgeschnellt, was einem Anstieg von über 100 Prozent entspreche. Vahldieck macht dafür vor allem den rechten Aufmarsch mit 1.500 Teilnehmern am 1. Mai vorigen Jahres verantwortlich, bei dem ein „schwarzer Block“ von gewalttätigen „Autonomen Nationalisten“ mitlief. „Das war eine neue Dimension“, so der Geheimdienstchef. Seine Vermutung: „Das martialische Auftreten könnte zur Rekrutierung von Nachwuchs attraktiv sein.“