IN AFRIKA SCHEITERT DIE INTERNATIONALE FRIEDENSPOLITIK: Vor der Balkanisierung
Die Versuche, Konflikte in Afrika zu lösen, sind an einem kritischen Punkt angelangt. In drei der schwierigsten Bürgerkriegsländer des Kontinents – Sudan, Demokratische Republik Kongo und Elfenbeinküste – endet das Jahr 2004 so, wie es begann: mit blockierten Friedensprozessen.
In Sudan wird deutlich, dass eine endgültige Friedensregelung für den Südteil des Landes nicht möglich ist, solange der Krieg im westsudanesischen Darfur eskaliert. Der 31. Dezember 2004 wird ebenso wie der 31. Dezember 2003 ohne einen Friedensvertrag für Südsudan verstreichen, trotz vorheriger gegenteiliger Versicherungen der Konfliktparteien im ältesten Bürgerkrieg Afrikas. In der Demokratischen Republik Kongo zeigen die jüngsten Kämpfe im Osten des Landes, dass eine politische Friedensregelung zwischen Warlords wenig taugt, solange die Konflikte nicht gelöst sind, aus denen die Warlords ihre Legitimität beziehen. Während aber vor einem Jahr noch Zuversicht herrschen konnte, dass die neu eingesetzte Allparteienregierung die Lage irgendwann kontrollieren könnte, setzt sich heute die Einsicht durch, dass die lokalen Konflikte stärker sind. In der Elfenbeinküste ist schließlich die politische Debatte pünktlich zum Jahresende zu der Frage zurückgekehrt, mit der sie zu Jahresanfang begann: Dürfen politische Reformen von einer Volksabstimmung und damit von der Einschüchterungskapazität friedensunwilliger Milizen abhängig gemacht werden? Neu ist nur, dass inzwischen politische Fortschritte gewaltsam sabotiert wurden und die Konfrontation mit Frankreich die Elfenbeinküste erheblich zurückgeworfen hat.
Alle drei Länder haben eines gemeinsam, das sie von erfolgreicheren Friedensmodellen in Burundi oder Liberia unterscheidet: Sie sind territorial geteilt zwischen den Hoheitsgebieten rivalisierender Machthaber. In jedem Land gibt es für die Kontrahenten jederzeit eine Alternative zum Zusammenraufen. Jeder kann sich schmollend in seine Hochburg zurückziehen und sie als informellen Staat allein weiterregieren, wenn der Ausgleich mit dem Gegner wesentliche Interessen gefährdet. Das gilt nicht nur für die Rebellionen, sondern auch für die Regierungen. Südsudan, Ostkongo und der Norden der Elfenbeinküste sind zu rechtsfreien Räumen geworden – aber auch die jeweilige Zentralregierung verzichtet in der Praxis lieber auf die Kontrolle über das aufsässige Gebiet, als dem Kriegsgegner Zutritt zu den zentralen Hebeln der Staatsmacht zu gewähren und die eigene Kriegswirtschaft zu demokratisieren.
Wenn in Sudan, Kongo und der Elfenbeinküste der Frieden scheitert, hat das auch äußere Gründe. Die internationale Bereitschaft, Friedensvereinbarungen in Afrika militärisch durchzusetzen, liegt bei null; renitente Parteien werden nie wirksam bestraft. Die UN-Missionen in der Elfenbeinküste und im Kongo sind wirkungslos, und im Sudan experimentieren die Großmächte lieber mit einer hilflosen afrikanischen Friedenstruppe, als ernsthaft etwas für den Frieden in Darfur zu tun. Derweil wird Sudans Kriegsregierung zum Ölexporteur ausgebaut, Kongos korrupte Mineralienwirtschaft wird zum Motor für die Genesung des Landes erklärt und die angedrohten UN-Sanktionen in der Elfenbeinküste sind faktisch ausgesetzt. So ist zu befürchten, dass das Jahr 2005 der internationalen Afrikapolitik nur eine ungemütliche Wahl lässt: massiv verstärktes militärisches Engagement (ähnlich wie in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre auf dem Balkan) oder chaotischer Rückzug unter Inkaufnahme der vorhersehbaren Völkermorde.
Die Bundesregierung hat sich noch nicht festgelegt. Bundesverteidigungsminister Peter Struck hat zu Weihnachten gesagt, es gebe Spielraum für mehr Bundeswehrmissionen in Afrika, aber eine deutsche Beteiligung an Kampfeinsätzen sei ausgeschlossen.
Nur: Aus dem Scheitern der Friedensversuche dürfen nicht nur militärische Konsequenzen gezogen werden. Nötig ist ein politischer Neuansatz. Offenbar funktioniert es nicht, als ersten Schritt zum Frieden das Zusammenfügen eines zerfallenen Landes per gemeinsame Regierung verfeindeter Politiker zu betreiben. Damit wird zwar der Schein eines Staatswesens gewahrt, aber die gesellschaftliche Befriedung fördert das nicht. Abschied von den großen Konzepten, Annäherung an den Alltag der Menschen – das wäre erst einmal wichtiger. Föderale Modelle und lokale Friedensarbeit sollten in Sudan, Kongo und der Elfenbeinküste Priorität bekommen. DOMINIC JOHNSON
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