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Archiv-Artikel

„Mich zieht es instinktiv zu ‚Bild‘“

ZEITUNGEN Der Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner über die Krise, seine Abhängigkeit vom Boulevard und seine Mittagessen mit Gregor Gysi

Mathias Döpfner

■ Weg: Mathias Oliver Christian Döpfner. Aufgewachsen als einziges Kind eines Architekturprofessors und einer Hausfrau. Bereits mit 21 Jahren Mitarbeiter der FAZ (Kürzel: M.O.C.). Studium in Frankfurt und Boston, Doktorarbeit zu „Musikkritik in Deutschland nach 1945“, Buch über die „Neue Deutsche Welle“. Trainee im Verlagskonzern Gruner + Jahr.

■ Aufstieg: Erfolglose Chefredakteursjahre zuerst bei Wochenpost, dann Hamburger Morgenpost. 1998 zur rechtsmuffeligen Welt, die er mit neuem Design und neuen Journalisten zu lüften versucht. Schon 1999 Aufstieg in den Vorstand des Springer-Konzerns. Ab 2002 – mit 39 Jahren – Vorstandsvorsitzender.

■ Friede: Entscheidend für Döpfners Karriere ist Friede Springer. Er gilt als enger Vertrauter der Witwe des Verlagsgründers und Mehrheitsaktionärin beim größten europäischen Zeitungshaus. Friede Springer wohnt in Potsdam neben Döpfner, der dort mit seiner Frau und drei Kindern lebt.

INTERVIEW STEFFEN GRIMBERG UND GEORG LÖWISCH

taz: Herr Döpfner, wie liefen die ersten Monate des Krisenjahres 2009 für Springer?

Mathias Döpfner: Natürlich haben wir die Rezession im Anzeigengeschäft gespürt. Aber dennoch haben wir nach dem Rekordjahr 2008 das Ergebnis im ersten Quartal dieses Jahres weiter um zwei Prozent gesteigert. Das Onlinegeschäft hat sich extrem erfolgreich entwickelt – mit einem Wachstum von fast dreißig Prozent. Die Rückgänge bei unseren gedruckten Medien sind damit zumindest teilweise kompensiert. Generell gilt, dass sich die Rückgänge bei den Anzeigen in den nächsten Monaten verschärfen werden.

Sparen Sie jetzt noch mehr?

Ich war vor der Krise eher pessimistisch. Wir haben immer wieder gesagt, dass man in guten Zeiten das Haus wetterfest machen muss. Das war mit Zumutungen verbunden, aber jetzt erleben die Kollegen, dass sie vom Erfolg mit einer Gewinnbeteiligung profitieren und das Haus ihnen zusätzlich auch noch Aktien schenken kann. Ein schönes Gefühl.

Im Newsroom von Welt und Berliner Morgenpost herrscht eine fröhliche Stimmung?

Fragen Sie die Mitarbeiter, aber ich glaube, schon. Nehmen Sie mal die Welt-Gruppe: Sie hat fünf Jahrzehnte Verluste gemacht. Dann haben wir in Journalismus investiert, danach strukturell Welt und Morgenpost zusammengeführt und schließlich eine Online- und eine Vermarktungsoffensive gestartet. Das hat gegriffen. Wir haben 2007 mit der Gruppe zum ersten Mal Geld verdient und 2008, obwohl die Krise ab September gewirkt hat, sogar erstmals ein zweistelliges Millionenergebnis erreicht.

Nicht jeder glaubt Ihnen die Gewinne der Welt -Gruppe.

Oscar Wilde hat, glaube ich, den Satz geprägt: Die Deutschen sind das einzige Volk, bei dem der Neid stärker ausgeprägt ist als der Sexualtrieb. Das sind keine Tricks. Massive Kostensenkungen, höhere Vertriebserlöse durch Welt kompakt, gestiegene Anzeigenerlöse durch neue Crossmedia-Angebote und Marktanteilsgewinne im Display-Anzeigengeschäft – das sind die Ergebnisse von zehn Jahren harter Arbeit. Kein Verlag in Deutschland hat so lange und so viel Geduld und Geld für Qualitätsjournalismus investiert. Das hat sich jetzt gelohnt.

Wie stark ist Ihre Abhängigkeit von Bild?

Bild ist natürlich mit Abstand der größte Gewinnbringer des Hauses. Unsere deutschen Zeitungen haben mit 348 Millionen Euro den größten Anteil am Gewinn – am meisten stammt von der Bild-Gruppe, den zweitgrößten Anteil hat das Hamburger Abendblatt.

Wie wichtig ist das Onlinegeschäft?

Die digitalen Medien sind nicht mehr nur eine Hoffnung, sondern reales Geschäft. Sie machen schon 17 Prozent unserer Gesamtumsätze aus: bild.de, welt.de, aber auch die Frauenwebsite au féminin. Der Onlinevermarkter Zanox, die Stellenbörse stepstone.de oder der Immobilienmarkt immonet. Hier liegt das Wachstum.

Ist das ein Weg, künftig Journalismus zu finanzieren: Das Geld bringen die Onlinemarktplätze, und damit bezahlt man das journalistische Angebot?

Unsere Onlinestrategie ist einfach, und sie geht offenbar gut auf. Wir übertragen das, was wir im Printgeschäft gut können, in die digitale Welt: Inhalte, Marken, Vermarktung, Rubrikenmarktplätze. Wir investieren nur in Geschäftsmodelle, die das Platzen der ersten Internetblase überlebt haben. Und: Wir hatten nie Angst davor, dass ein digitales Angebot eine Zeitung oder Zeitschrift kannibalisiert. Entscheidend ist: Jeder Manager macht Print und Online, und jeder Journalist macht Print und Online. Wir denken Online nicht im Silo.

Nicht im Silo?

Hier das Printsilo, dort das Onlinesilo. Bei uns sind alle Mitarbeiter für beides verantwortlich, das heißt auch: Alle sind an der Erfolgsgeschichte von Online beteiligt. Ich kenne einen Chefredakteur, der früher klagte, dass die Auflage sinkt. Der kommt heute zu mir und ist stolz darauf, dass die Online-Reichweite um zehn Prozent gestiegen ist.

Sie meinen bestimmt Kai Diekmann, den Chefredakteur von Bild. Aber Ihnen ist die Welt doch näher als Bild, oder?

Ich war mal Welt-Chefredakteur. Deshalb habe ich zur Welt ein besonders emotionales Verhältnis. Wenn Sie mich als Vorstandschef fragen, habe ich nicht nur wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung von Bild allergrößte Sympathie für die Kollegen. Das ist die schwerste Form des Journalismus.

Jetzt erwarten Sie bitte kein Mitleid mit der Bild -Redaktion.

Jeder kann sich auf der Empore des guten Geschmacks zurücklehnen und sagen: Guck mal, was die da unten für furchtbare Sachen machen. Aber wirklich jeden Tag eine Zeitung wie die Bild herzustellen ist schwieriger, als eine sogenannte Qualitätszeitung zu machen.

Auf Bild sind Sie stolz?

Ja.

Zu Ihnen: 1963 in Bonn geboren, in Offenbach aufgewachsen. Sind Sie ein Kind des Bürgertums?

Des Kleinbürgertums allenfalls. Meine Mutter war Hausfrau, mein Vater Hochschullehrer. Davor waren es Sattler in der Familie.

Sie sind Musikwissenschaftler, Manager und dreifacher Familienvater mit einem großen Haus in Potsdam. Was lesen Sie morgens als Erstes?

Bild.

Passt das zu Ihrem Leben?

Ja. Die reine Kopfantwort wäre jetzt: Als Konzernchef muss ich das wirtschaftlich wichtigste Objekt zuerst lesen. Das wäre höchstens zu zehn Prozent wahr. Die zweite Antwort: Als Manager muss ich wissen, wie Deutschland tickt. Deshalb nehmen ja ganz viele Vorstandsvorsitzende und Universitätsprofessoren morgens die Bild-Zeitung zur Hand. Die Antwort wäre vielleicht zu fünfzig Prozent richtig. Meine dritte und ehrlichste Antwort ist: Weil es mich morgens als erstes instinktiv zur Bild-Zeitung zieht. Wenn ich den Stapel von vierzehn Zeitungen auf dem Frühstückstisch habe, möchte ich zuerst sehen: Was steht in Bild?

Ist Bild denn für eine bürgerliche Zielgruppe gemacht?

Die Bild-Zeitung ist natürlich in erster Linie kein bürgerliches Medium. Sondern ein Medium der Popularisierung, das Schichten ans Lesen gebracht hat, die früher überhaupt nicht gelesen haben. Im Jahr 1900 haben zehn Prozent der Deutschen Zeitung gelesen. Heute lesen siebzig Prozent der Deutschen. Da ist es natürlich klar, dass die nicht alle Neue Zürcher Zeitung, FAZ oder Welt lesen. Die breite Masse liest eben eine einfache, emotionale Zeitung, die ihre Sprache spricht.

Wie ist die Bild in Potsdam angesehen, wo Sie wohnen?

Das weiß ich nicht. Und ob die mir wirklich die Wahrheit sagen?

Michael Ringier, der Schweizer Verleger und Herausgeber der Boulevardzeitung Blick , hat einmal erzählt, seine Mutter sei auf einem Empfang gefragt worden: „Wissen Sie, was der Blick -Cocktail ist? Wasser mit Scheißdreck drin.“

Da muss man durch.

Aber die Bild -Zeitung ist keine Veranstaltung des Bürgertums?

Ich hoffe, dass die Bild-Zeitung dem Arbeiter näher ist als dem Akademiker.

Worin sehen Sie die Aufgabe des Bürgertums?

Die Zeit des Bürgertums ist vorbei. Ich glaube, dass das Bildungsbürgertum eine deutsch-jüdische Erfindung war, die zwischen 1870 und 1933 zu einer wunderbaren Blüte gekommen ist. Dann wurde es von den Nationalsozialisten zerstört. Davon hat sich das Bildungsbürgertum nicht erholt. Vorbei.

Fehlt Ihnen mehr Bürgerlichkeit?

Die Restbestände bürgerlichen Denkens sind extrem verunsichert, verschüchtert und tauchen im gesellschaftlichen Dialog kaum noch auf. Wenn man Leistungseliten definiert, müssten deren Mitglieder auch versuchen, eine Verantwortungselite darzustellen. Das ist schwer erkennbar. Wenige mischen sich in öffentliche Diskussionen ein. Dieser Rückzug ist extrem unerfreulich.

Wer zählt Ihrer Ansicht nach heute zur Elite?

Wir hatten eine Umprägung der Wertigkeiten. Natürlich war eine intellektuelle, eine wissenschaftliche Elite früher viel höher angesehen. In den letzten zwei, drei Jahrzehnten sind die Finanzeliten in der gesellschaftlichen Hierarchie nach oben gespült worden. Die haben jetzt gerade eine donnernde Entzauberung erlebt.

Gehört Bild-Chef Kai Diekmann zur Elite, oder ist er Werkzeug der Elite?

Ich bewundere das, was er macht. Ich könnte es nicht. Ganz wenige Menschen könnten diese Aufgabe bewältigen. Sie erfordert die Psychologie und die Sensibilität eines Künstlers, nicht die Fähigkeit eines Haudraufundschluss.

Welche Parteien gehören für Sie zu den bürgerlichen Parteien?

Alle außer den nationalistischen und den extremen. Alles, was sich im Rahmen unserer Verfassung bewegt, ist für mich eine bürgerliche Partei.

SPD und Grüne auch?

„Ich vermute auch, dass Axel Springer die ‚Bild‘-Zeitung nicht gegründet hat, um die Menschheit besser zu machen“

MATHIAS DÖPFNER

Zutiefst.

Linkspartei-Anzeigen drucken Springer-Medien aber nicht.

Die Linkspartei wird in einzelnen Plattformen vom Verfassungsschutz beobachtet und bewegt sich in einzelnen Äußerungen aus diesem Radius heraus.

Sie lassen Werbung der Linken nicht zu, werben aber selbst mit der Linkspartei – schließlich ist Gregor Gysi Teil der neuen Promi-Kampagne für Bild.

Die neue Bild-Kampagne basiert darauf, dass sie auch ihre Gegner zu Wort kommen lässt.

Ihre Zeitungen sprechen vom „bürgerlichen Lager“, wenn sie Union und FDP meinen.

Das ist ja ein Klischeebegriff, den ich nur mit ironischen Anführungszeichen verwende. Oder haben wir den erfunden?

Sie benutzen diesen Begriff aber.

Ich spreche meist vom sogenannten bürgerlichen Lager. Ein wirkliches bürgerliches Lager gibt es doch gar nicht mehr. „Bürgerliches Lager“– den Begriff würde ich nicht überbewerten. Er hat sich einfach eingebürgert. Besser ist es, von liberalkonservativen Parteien zu sprechen.

Neulich haben Sie mit Gregor Gysi zu Mittag gegessen. Er darf für Bild werben, aber Anzeigen der Linken drucken Sie nicht. Warum?

Genau das habe ich Gysi bei unserem letzten Treffen erklärt. Wir treffen uns von Zeit zu Zeit, und die Gespräche mit ihm sind stets amüsant und interessant. Ihn nicht zu treffen, weil wir die Linke für eine SED-Nachfolgeorganisation halten, das wäre ein ganz borniertes und illiberales Verhalten. Man muss die Personen kennen, gerade wenn man ihre Institutionen ablehnt.

In der Werbekampagne kommt die Institution Bild ja nicht nur bei Gysi gut weg.

Der Ansatz ist: Hier sollen Freunde und Feinde sagen, was Bild für sie ausmacht. Wir haben uns erhofft, dass einige, die hinter den Kulissen erklären, wie eklig und widerlich sie die Bild finden, das jetzt auch mal öffentlich tun. Wer wollte, hätte schreiben können: Drecksblatt. Wir sind überrascht, wie viele zu sehr milden Formulierungen gegriffen haben.

Macht es Ihnen Angst, dass niemand die Wahrheit sagt?

Das ist ein bisschen weit interpretiert. Es gab kritische Stimmen und mutige Sätze.

Zum Beispiel?

Wenn Bushido sagt: „Danke für die Titten“, ist das doch sprachlich und gedanklich authentisch.

Denken Sie im Ernst, es hätte die Möglichkeit bestanden, dass Sie zum Beispiel den fälschlich wegen Vergewaltigung angeklagten Moderator Andreas Türck nach seiner Meinung zu Bild fragen und der schreibt: „Die hat mich fertiggemacht.“?

Aber ja! Das hat doch Thomas Gottschalk getan: „Bild hat mich zur Schnecke gemacht und dann zum Titan.“

Und mit solcher Pseudokritik machen Sie Reklame für Bild .

Wir wollen zeigen, dass wir polarisieren. Natürlich wollen wir mit dieser Kampagne für Bild werben. Das Gegenteil zu behaupten wäre doch verlogen.

Stichwort „Verlogenheit“. Vor gut einem Jahr ist bei Lidl ein Skandal bekannt geworden: das Ausspionieren der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da haben Bild und Welt merkwürdig reagiert. Die Bild hat 23 Zeilen im Innenteil gehabt, die Welt hat sich einen Kommentar verkniffen. Die B.Z. hat nur einen Einkaufstipp bei Lidl gebracht. Und kurz darauf erschienen bezahlte Seiten namens „Welt dialog“, wo Lidl sich erklären durfte.

Auch Bild hat über diesen Skandal mehrfach und ausführlich berichtet. Ihrer Meinung nach nicht groß genug? Okay. Aber eines ist wichtig: Irgendeine zentrale Ansage über Umfang und Art der Berichterstattung hat es nie gegeben. Die Axel Springer AG ist, was die innere journalistische Freiheit betrifft, das liberalste Haus Deutschlands.

Warum haben Sie dann Lidl geschont?

Wenn es so war, dass zu wenig kritisch über Lidl berichtet worden ist, dann hat das die Redaktion journalistisch entschieden.

In der heutigen Bild-Ausgabe werben Lidl und Aldi auf ganzen Seiten. Ist die Bedeutung der Discounter fürs Geschäft nicht so offenkundig, dass es gar keine Ansage von oben braucht?

Also, jetzt wird’s schon ungemütlich. Sie stellen die redaktionelle Integrität der Bild-Zeitung infrage. Sie sagen: Wenn die so viel Kohle von diesen Anzeigenkunden kriegen, dann müssen die Redakteure von allein nett drüber schreiben.

Tun sie es?

Nein! Wir haben 2003 die Leitlinien zur Sicherung der journalistischen Unabhängigkeit eingeführt, lange vor den Schleichwerbungsaffären bei ARD und Sat.1. Wir bekämpfen eine Vermischung von Journalismus und Anzeigengeschäft, und wir haben uns noch nie von einem Anzeigenkunden unter Druck setzen lassen. Da werden keine Rücksichten genommen.

Was ist der Unterschied zwischen den Unternehmen Lidl und Bild ?

Das ist überhaupt nicht vergleichbar. Bild ist ein kreatives Blatt, Lidl eine Discounterkette.

Wer tut mehr für das Gemeinwohl – Lidl oder Bild?

Axel Springer AG

Springer-Presse: Bild, Welt, Hamburger Abendblatt, Hörzu. Jolie, TV Digital, Musikexpress (Deutschland) Fakt, Dziennik (Polen), Newsweek (Russland) und noch ein ganzes Schock mehr in Ungarn, der Schweiz, Frankreich, Spanien und Rumänien. Marktanteil in Deutschland 2008: 22,1 Prozent.

■ Springer-Radio & TV: Beteiligung an Dutzenden Privatsendern in Deutschland und der Türkei.

■ Springer-Zahlen: Rekordergebnis 2008: 571,1 Millionen Euro Jahresüberschuss. Auch im 1. Quartal 2009 trotzt der Konzern – noch – der Krise: Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen stieg auf 80,3 Millionen Euro.

Weiß ich nicht. Bei Gemeinwohl wird’s mir blümerant. Bild macht eine populäre Zeitung, die jeden Tag mehr als drei Millionen Leute am Kiosk kaufen wollen. Aber deshalb wollen wir Bild nicht gleich in den Olymp einer philanthropischen Wohltat heben. Ich vermute auch, dass Axel Springer die Bild-Zeitung nicht gegründet hat, um die Menschheit besser zu machen, sondern um einen unternehmerischen Erfolg zu schaffen. Aber es geht eben auch nicht nur ums Geld.

Worum denn sonst?

Bild hat – ob es Ihnen gefällt oder nicht – dazu beigetragen, dass Bevölkerungsschichten, die sich überhaupt nicht für Politik interessiert haben, sich heute täglich auf der Seite zwei mit politischen Prozessen auseinandersetzen. Das Gleiche gilt für Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur.

Sie meinen, Bild sei nebenbei eine Art Arbeiterbildungsverein?

Jetzt werden Sie ein bisschen boulevardesk.

Herr Döpfner, ist Bild so was wie Ihr Schicksal? Sie sind angetreten, den Konzern breiter aufzustellen. Sie wollten groß ins Fernsehen einsteigen, dann ins Postgeschäft. Beides scheiterte, und jetzt sind Sie immer noch der Boss von Bild und Zubehör.

Wenn Sie sagen: ProSiebenSat.1 hat nicht geklappt und der Einstieg ins Postgeschäft auch nicht – einverstanden. Aber ich finde es bemerkenswert, dass neben der starken Säule Boulevardjournalismus auch der Qualitätsjournalismus in diesem Haus eine profitable Basis gefunden hat.

Die Welt -Gruppe?

Ja. Das ist doch wunderbar, oder? Die zweite, noch wichtigere Aufgabe wird es sein, dem Haus in den digitalen Geschäften der Zukunft ein gesundes Standbein zu verschaffen.

Wird doch noch etwas aus einer Fusion von Springer und ProSiebenSat.1? Der Kartellamtspräsident hat angedeutet, dass seine Behörde die Sache heute anders bewerten würde.

In gleicher Weise, wie sich das Kartellamt einer realistischeren Markteinschätzung des deutschen Medienmarkts öffnet, nimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass wir noch mal interessiert sind, die Sendergruppe zu übernehmen.

Weil Free-TV nicht mehr die Zukunft ist?

Für die Medien der digitalen Zukunft brauchen Sie neben geschriebenen Informationen Bewegtbilder. Und es gibt zwei Wege für uns, sich die zu erschließen: eine große Transaktion, die teuer ist, aber sehr schnell geht; oder sich in kleinen Schritten selbst Kompetenz für Bewegtbilder aufzubauen und im Web zu entwickeln. Das tun wir, und dieser Weg wird immer attraktiver.

Sie selbst machen ja auch Fernsehen. Wie schwer trifft Sie die Entscheidung der ARD, Ihren Film über den Verleger Lord George Weidenfeld wohl doch nicht im Ersten auszustrahlen?

Ist das so? Die Entscheidung kenn ich noch gar nicht. Ich bewundere Lord Weidenfeld seit vielen Jahren. Er ist ein Freund von mir. Der NDR hatte die Idee, aus dieser Freundschaft eine interessante Filmkonstellation zu machen. Wenn die Freundschaft jetzt zum Negativkriterium eines Films würde, der von Anfang an „Mein Freund George Weidenfeld“ hieß, dann wunderte mich das. Aber vielleicht stimmt es ja auch gar nicht.

Enttäuscht?

Nein, mir hat es wahnsinnige Freude gemacht, das zu drehen. Wenn es im Fernsehen gezeigt wird, ist es schön. Wenn nicht, dann gucken wir es uns zu Hause auf DVD an.