: Der verspätete Präsident
Nach sieben Monaten besucht Köhler endlich auch NRW
Bundespräsident Horst Köhler begann seine Amtszeit mit einem Traditionsbruch: Statt dem französischen Präsidenten und der Republikhauptstadt Paris seine Aufwartung zu machen, zog es den ehemaligen Weltbanker zuallererst für anderthalb Tage nach Polen. Traditionsbewusster zeigt sich Köhler jetzt bei der arg verspäteten Bereisung Nordrhein-Westfalens – seine Amtsvorgänger verhielten sich ähnlich stiefmütterlich zum Bindestrichland im Westen.
Denn wenn Horst Köhler mit Gattin Eva am kommenden Donnerstag und Freitag das bevölkerungsreichste Bundesland bereisen, liegen die meisten innerdeutschen Visiten hinter dem Staatspaar. In offizieller Mission waren Köhler und Tross bereits unterwegs im Saarland, in Hamburg, Berlin, natürlich in den fünf neuen Ländern, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen – NRW steht an vierzehnter Stelle! Nur Staatsbesuche in Rheinland-Pfalz und der Hansestadt Bremen werden später stattfinden.
Das sich die Reihung der Besuche auch an politischer Farbenlehre der jeweiligen Landesregierungen orientiert, gilt als offenes Geheimnis: Der Stab des ehemaligen CDU-Staatssekretärs legte ausgerechnet die Besuche bei drei SPD-geführten Landesregierungen nach hinten. Auch sonst gilt Köhler ja als Einmischer. Seit er sich öffentlich mit dem Bundeskanzler um die Streichung des Nationalfeiertags am 3. Oktober stritt, beschreiben Kritiker Köhler als ersten tagespolitischen Bundespräsidenten.
Auf die Verspätung in Nordrhein-Westfalen hat Köhler indes kein Patent: Roman Herzog (CDU, 1994-1999) brauchte vier Monate, bis er Düsseldorf und Landtag besuchte. Johannes Rau (SPD, 1999-2004) verzichtete als langjähriger nordrhein-westfälischer Ministerpräsident ganz auf einen Antrittsauftritt in NRW.
Offiziell nannte es Rau albern, „sein“ Bundesland zu besuchen. Doch viel eher wird das zerrüttete Verhältnis zwischen ihm und dem damaligen Ministerpräsident Wolfgang Clement den Staatsbesuch im Heimatland verhindert haben – Clement hatte Rau aus dem Amt des NRW-Ministerpräsidenten gedrängt.
In der Landeshauptstadt stößt die verzögerte Reise von Köhler natürlich nicht auf offene Kritik. Es gelten die Regeln der Diplomatie. Doch wie froh man ist, den einstigen Bonner erst jetzt begrüßen zu dürfen, mag das präsidiale Programm vor allem am zweiten Besuchstag zeigen: Köhler darf in der Revierstadt Bochum Bundesknappschaft, Knappschaftskrankenhaus und das örtliche Finanzamt besuchen. CHRISTOPH SCHURIAN