: Integrationshelfer Glotze
Aus einem Duisburger Gewerbepark gelangen Fernsehbilder nach ganz Europa. Seit knapp einer Woche sendet der „Kanal Avrupa“ für türkischsprachige Mitbürger in Deutschland
AUS DUISBURGSEBASTIAN PETERS
Der „Kanal Avrupa“ ist ein echtes Novum. Als erste Fernsehstation sendet er mit einer deutschen Sendelizenz und dem Hauptsitz in Duisburg in türkischer Sprache. Seit rund einer Woche ist der Sender über den Satelliten „Türksat 2“ überall in Europa zu empfangen. Die Macher des „Kanal Avrupa“ (Kanal Europa) sitzen allesamt in einem unscheinbaren Container in einem Duisburger Gewerbepark. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, wird von hier gesendet.
Von außen versprüht der „Kanal Avrupa“ den Charme von Big-Brother mit Glasfassade. Nur eine große Satellitenschüssel sowie ein großes Schild verraten dem Betrachter, dass hier etwas Besonderes vor sich geht. Sämtliches technisches Equipment, alle Studioräumlichkeiten, Schneide- und Regieräume sowie Kameras und Kulissen für dieses ambitionierte Projekt befinden sich in einer ehemaligen Autowerkstatt in einem Gewerbepark in Duisburgs Westen.
Der Europa-Kanal will mit einem neuen Konzept jene türkischsprachigen Bürger in Deutschland erreichen, die sich über ihre neue Heimat informieren möchten. „Wir möchten über die Probleme der Menschen in Deutschland berichten“, erklärt Seran Sargus, der Pressekoordinator des neuen Fernsehens. Wenn Türken sich bisher im Fernsehen über ihre Wahlheimat in ihrer Landessprache informieren wollten, dann schauten sie sprichwörtlich oft in die Röhre. Der staatliche Sender „TRT“ sendet aus Istanbul und Ankara und berichtet fast ausschließlich über das politische und gesellschaftliche Geschehen in der Türkei. Informationen in Landessprache liefern den Türken in Deutschland nur die Printmedien. Da kommt „Kanal Avrupa“ zur rechten Zeit.
Die Diskussion um die Integration von Migranten ist gerade ein wenig abgeebbt. Integration ist plötzlich wieder Alltagsgeschäft und nicht mehr vieldiskutiertes Talkshowthema. Versteht sich der Begriff „Kanal Avrupa“ auch als eine politische Botschaft einer Türkei-Bewerbung für die EU? Pressesprecher Segan Sargur wiegelt ab: „Wir wollen die Menschen hier zeigen. Wir wollen ihnen ihr Leben darstellen.“ Eröffnet wurde der neue Sender vom Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU). Der Sender nimmt am öffentlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben durchaus teil, und auch das frischgewählte Stadtoberhaupt ist sich der Bedeutung des Investments in der Hafenstadt durchaus bewusst.
Geschäftsführer des neuen Fernsehsenders sind der deutsche Geschäftsmann Alipasa Akbas und sein Bruder Osman aus Mülheim, die mit ihrem Musikvertrieb „Akbas Media“ einen Großteil der türkischsprachigen Musik in Deutschland vertreiben. Rund 1.100 Verkaufsstellen in Deutschland beliefern sie mit Hits in türkischer Landessprache. Die Musikvideos der Künstler von Akbas Media bilden die zweite Hälfte des Programmes des Senders. Jeden Abend soll sich in Zukunft einer der Künstler des Akbas-Labels in Duisburg die Ehre geben und eine Sendung im Stil von MTV-Unplugged präsentieren. Außerdem solle es Call-In-Shows geben, bei denen der Zuschauer mit einem Gesprächspartner im Studio redet, so Segan Sargur.
„Integration ist wichtig“, sagt Akbas: Der Sender wolle eine integrative Rolle übernehmen, indem er seine Zuschauer mit den neuesten Nachrichten und Informationen über die Wahlheimat Deutschland versorgt. Hartz IV oder Ausbildungsplatzsuche: Alles darf sein, wenn „Kanal Avrupa“ auf Sendung geht. Sieben Live-Formate werden im Studio jeden Tag produziert. Zehn Stunden Live-Programm will der Sender bieten. Der Rest wird mit Musikvideos aufgefüllt.
Was in der Fernseh-Fiktion zunächst einmal plausibel klingt, das sieht im Fernsehalltag schon weniger praktikabel aus. Der Sender sendet in türkischer Sprache. Für viele Integrationsverfechter, die Sprache als eine große Barriere sehen, sicherlich ein gewichtiges Kontra-Argument. Aber der türkische Sender zeigt sich auch in einem modernen Gewandt, will sich besonders an Jugendliche und deren Alltag richten und auch dem Argument entgegen treten, die Frauen würden in der Türkei ins Abseits gedrängt. Jeden Mittag läuft das Magazin „Kadinca“ (Fraulich), das sich besonders an türkische Frauen richtet.