: Bewährungsstrafe für überforderte Mutter
Säuglingstod: Landgericht Bremen verurteilt Bremerhavenerin wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Bremen taz ■ Es war den Richtern anzumerken, dass dieser Prozess an ihren Nerven kratzte. „Es war ein sehr belastendes Verfahren für alle Beteiligten“, sagte der Vorsitzende Strafrichter nach einer langen Beratungspause. In seinem Urteil erklärte das Gericht die angeklagte Mutter aus Bremerhaven der Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig und verurteilte sie zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Die damals 29-Jährige hatte im Dezember 2002 ihrem zwölf Wochen alten Zwillingssohn drei zusammengeknüllte Zellstofftücher in den Rachen gestopft. Weil er andauernd schrie und nicht zu beruhigen war. Sie habe völlig die Nerven verloren, hatte sie zuvor gestanden. Als der Säugling blau anlief, versuchten beide Eltern vergeblich, ihrem Kind zu helfen und riefen schließlich den Notarzt, der das Baby zunächst wiederbeleben konnte. Doch es erlitt schwere Hirnschäden und starb ein halbes Jahr später.
Die Staatsanwaltschaft plädierte auf vorsätzlichen Totschlag und eine dreijährige Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Sinn dieser Forderung sei die „Generalprävention“, der Schutz der Allgemeinheit vor weiterer Gewalt an schreienden Säuglingen, so die Staatsanwältin – sprich: Abschreckung. Der Verteidiger sprach sich in der Abwägung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu Gunsten der Angeklagten aus. Die zweifache Mutter sei überfordert gewesen. Das Verfahren habe gezeigt, dass die Angeklagte seit ihrer Kindheit an starken psychischen Störungen litt und nicht reif genug für die Erziehung ihrer Zwillinge gewesen sei. Sie habe das Kind nicht töten wollen.
Auch das Gericht bewertete die individuelle Situation der Täterin als ausschlaggebend. Die Abschreckungswirkung eines Urteils dürfe nicht mit allen Mitteln verfolgt werden. „Eine Freiheitsstrafe würde die Situation der Beteiligten nur verschärfen“, so der Vorsitzende Richter.
Die Bremerhavenerin wird nun unter strengen Bewährungsauflagen in psychologische Behandlung kommen und darf ihr zweites Kind lediglich in Begleitung eines anderen Erwachsenen sehen. Die härteste Strafe, so die Schlussbemerkung des Richters, werde es sein, dieser Tochter ihre Tat zu erklären.
Jan Philipp Albrecht