: Was der Wind kostet, ist weiter strittig
Nach nächtlichem Eklat wurde die Vorstellung der dena-Netzstudie erneut verschoben. Sie sollte eigentlich sachliche Argumente über die Kosten von Ökostrom liefern. Nun ist wieder Raum für Interpretationen, den die Minister nutzen
VON NICK REIMER
Neuer Streit in der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien: Nach Darstellung von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement wird dieser Ausbau in den nächsten Jahren „sehr teuer“. Die Kosten für die Einspeisung von Ökostrom würden von heute 1,4 Milliarden Euro jährlich auf 5,4 Milliarden Euro im Jahre 2015 steigen. „Können wir uns das leisten?“, fragte der Wirtschaftsminister und lieferte selbst einen Antwortpfad: „Wir brauchen eine sehr sachliche Diskussion, in der alle Argumente auf den Tisch kommen.“
Anlass dieses neuerlichen Streits ist eine Studie, die ursprünglich genau das liefern sollte: sachliche Argumente. Unter Federführung der Deutschen Energie-Agentur (dena) hatten sich Stromwirtschaft und Windkraftbranche auf eine Untersuchung geeinigt, die unterfütterte Daten für eine oft hoch polemische Debatte liefern sollte. Zwei Jahre und 800.000 Euro nach Start der Untersuchung sorgt die so genannte Netzstudie allerdings für mehr Zoff als Klärung.
In der Anschlusssitzung des Gutachtergremiums kam es in der Nacht zum Dienstag zum Eklat. Die ursprünglich für heute terminierte Veröffentlichung musste unbestimmt verschoben werden. Neuerlich – denn schon im vergangenen Jahr war die Ergebnispräsentation immer wieder vertagt worden.
„Es geht um die Interpretationshoheit“, urteilt die Bündnisgrüne Energieexpertin, Michaele Hustedt, selbst am Streit um die Studie nicht beteiligt. Tatsächlich hatte vor Wochenfrist die Energiewirtschaft Teile der noch nicht fertigen Studie in den Medien lanciert, die tatsächlich die Aussagen von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement stützen.
„Die 600 Seiten starke Netzstudie enthält aber genauso viele entlastende Daten“, kontert Johannes Lackmann, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Deshalb habe die Branche der regenerativen Energiegewinnung in der Nachtsitzung zum Dienstag auf einer Zusammenfassung bestanden, die „klar, deutlich und ohne Interpretationsmöglichkeit“ den Inhalt zusammenfasst, so Lackmann. Dem hätte das etwa 40-köpfige Gremium der Studie auch zugestimmt. Zum Eklat kam es erst, als Teile der Studie so formuliert werden sollten, dass die Zusammenfassung dem Inhalt auch noch entspricht.
Dieser Streit ist nun Auslöser für den regierungsamtlichen Knatsch. „Ich rate Studien so zu lesen, dass man auch den Inhalt erfasst“, sagte Bundesumweltminister Jürgen Trittin der taz. Von den 5,4 Milliarden Euro, die Clement als Kosten nennt, müsse man jene Einnahmen abziehen, die beim Verkauf des grünen Stroms erlöst werden. Die Haushalte würden um gerademal 1 Euro pro Jahr mehr belastet
„Die Netzstudie wird schon vor ihrer endgültigen Fertigstellung – und bevor sie gelesen worden ist – von einigen als Knüppel gegen den weiteren Ausbau der Windenergie missbraucht“, sagt der SPD-Energiepolitiker Hermann Scheer in Richtung Wirtschaftsflügel der SPD. Michaele Hustedt unterstellt – wesentlich deutlicher als der Umweltminister – Clement schlichtweg ein falsche Spiel mit Zahlen. „Die Summen, die Clement nennt, sind die absoluten Kosten für die produzierten Kilowattstunden durch erneuerbare Energie.“ Diese seien ein gemeinsam verabredetes politisches Ziel und würden logischerweise steigen – „weil ja auch der Anteil regenerativer Energie bis 2015 steigt“.
Für die Opposition ist der Zoff um eine noch nicht fertige Studie jedenfalls ein gefundenes Fressen. Peter Paziorek, umweltpolitische Sprecher der Union: „Angesichts der Netzstudie ist die Bundesregierung aufgefordert, ihre Pläne für den Ausbau der Windenergie neu zu überdenken.“
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