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Archiv-Artikel

Doch noch Kompromiss beim Wahlrecht

VOLKSBEGEHREN Vertreter der Initiative „Mehr Demokratie“ und der Bürgerschaftsfraktionen einigen sich auf einen gemeinsamen Vorschlag zum Wahlrecht. Damit dürfte sich ein Volksentscheid erübrigen

DAS NEUE WAHLRECHT

So sieht der Kompromiss aus:

■ 71 Bürgerschaftsabgeordnete sollen über Wahlkreislisten, weitere 50 über Landeslisten gewählt werden.

■ Auf den Wahlkreis- und den Landeslisten können die Wähler jeweils fünf Kreuze frei auf die Kandidaten verteilen und häufeln.

■ Bei den Landeslisten besteht die Möglichkeit, gar keine Kandidaten, sondern einfach nur Parteien zu wählen.

■ Eine Schutzklausel soll verhindern, dass das Wahlrecht ohne weiteres geändert werden kann.

Es wird wohl doch keinen Volksentscheid zum Thema Wahlrecht geben: Vertreter der Volksinitiative „Mehr Demokratie“ und der vier Bürgerschaftsfraktionen haben sich am Freitagmorgen auf einen Kompromissvorschlag der SPD geeinigt. Dieser sieht vor, dass WählerInnen entscheiden können, ob sie auf der Landesliste Parteien oder einzelne KandidatInnen ankreuzen wollen.

Seit 1998 schon arbeitet Mehr Demokratie an einem Wahlrecht, das den Wählern mehr Einfluss darauf verschafft, welche Kandidaten in die Bürgerschaft einziehen dürfen. Das Wahlrecht wurde zum Gegenstand eines Machtkampfs zwischen der Parteipolitik und der Initiative. 2004 setzte die Initiative per Volksentscheid ihren Wahlrechtsvorschlag durch. 2006 entschärfte die CDU dieses Gesetz mit ihrer absoluten Parlamentsmehrheit. Anfang 2009 erzwang Mehr Demokratie dann mit einem weiteren Bürgerbegehren einen erneuten Volksentscheid. Die Bürgerschaft muss entweder den Vorschlag der Initiative übernehmen – oder sich, wie jetzt geschehen, mit dieser einigen.

„Mit diesem Kompromiss können wir gut leben“, kommentierte Manfred Brandt von Mehr Demokratie. Nachdem es vor einer Woche noch so ausgesehen hatte, als seien die Verhandlungen zwischen der Initiative und den Parteien gescheitert, hatte die SPD einen weiteren Kompromissvorschlag vorgelegt, der sich am Vorbild Bremens orientiert. Außerdem wird das Bürgerschaftswahlrecht eins zu eins auf die Wahlen zu den Bezirksversammlungen übertragen.

Der Vorschlag hält ungefähr die Mitte zwischen den Vorstellungen der CDU und jenen der Initiative. Ginge es nach Mehr Demokratie, hätten die Wähler auch auf den Landeslisten fünf Kreuze frei auf die Kandidaten verteilen und die von den Parteien vorgegebene Reihenfolge durcheinander wirbeln können. Nach den Vorstellungen der CDU hätten die Wähler über die Landeslisten die fünf Kreuze nur pauschal auf Parteien verteilen können. Damit wäre die für jede Liste vorgegebene Reihenfolge erhalten geblieben. Jetzt können sich die Wähler aussuchen, nach welcher Variante sie wählen wollen.

Die Bürgerschaft muss dem Kompromiss erst noch zustimmen. Wegen der Sommerpause könnte das knapp werden. Mehr Demokratie will vorsichtshalber einen Volksentscheid am Tag der Bundestagswahl am 27. September anmelden – und bei Bedarf darauf pochen. GERNOT KNÖDLER