: Ex-Grüne will kein Wendehals sein
Bis vor zwei Wochen saß Heike Dederer für die Grünen im baden-württembergischen Landtag. Dann wechselte sie überraschend zur CDU. Nun werfen Grüne ihr Opportunismus vor und fordern ihren Rücktritt. Dederer lehnt das ab
Nein, sie sind nicht gut zu sprechen auf Heike Dederer, die neun verbliebenen Abgeordneten der baden-württembergischen Landtagsfraktion der Grünen. Parteikollege Jürgen Walter nimmt kein Blatt vor den Mund. Eitel sei die 35-Jährige gewesen, „sehr narzisstisch“, habe sowohl Kritik als auch Hilfsangebote abgewehrt. Manchmal sei sie ihm vorgekommen „wie eine, die gar keine Politikerin ist, sondern diese Rolle nur zu spielen versucht“. Ende Januar hat die ehemals Grüne aus dem Wahlkreis Bietigheim-Bissingen die Fronten gewechselt und ist in ihr neues Büro umgezogen. Bis zur Landtagswahl 2006 sitzt sie nun als CDU-Abgeordnete im Stuttgarter Parlament.
Der telefonisch mitgeteilte Wechsel kam nicht nur für die Grünen überraschend. Auch CDU-Abgeordnete waren verdutzt über den Zuwachs, der ihre Landtagsmandate auf 64 von 128 anwachsen lässt. Noch wenige Tage vor ihrem Übertritt hatte die Diplomfinanzwirtin an einer Strategiedebatte der Grünen teilgenommen und den von der Union und dem Koalitionspartner FDP vorgelegten Haushaltsentwurf scharf kritisiert. Die Lage sei „dramatisch“, der „Schuldenberg“ riesig, die Landesregierung lasse ein mittelfristiges Konzept vermissen, es biete sich „ein Bild des drunter und drüber“. Nichtsdestotrotz, sagte die frisch gebackene CDUlerin der taz, sehe sie sich finanzpolitisch bei den Christdemokraten besser aufgehoben. Sie setze auf den designierten Ministerpräsidenten Oettinger, der mit der Rede auf seinem Wahlparteitag ein Umdenken angekündigt habe: „Das macht mich optimistisch.“ Außerdem wandte sie sich gegen „Beleidigungen und Diffamierungen“ ihrer ehemaligen Parteifreunde. Sie selbst habe „kein negatives Wort“ über die Grünen gesagt und werde sich „nicht auf die gleiche Ebene begeben“. Zu Vorwürfen werde sie keine Stellung nehmen.
Kritiker hatten Dederer vorgeworfen, sie sei aus Karrieregründen gewechselt, auf Posten aus und ein „Wendehals“. Nichts davon, betonte sie, sei wahr. Sie sei sicher, dass sie bei der Landtagswahl 2006 ihren Wahlkreis wiedererobert hätte und zum zweiten Mal „mit Rentensprüchen“ in den Landtag eingezogen wäre. Ob sie bei der CDU einen Listenplatz bekomme, sei „noch völlig offen“. Es gebe keine Zusagen. Dass sie, wie Gerüchte behaupteten, anstelle der derzeitigen Kultusministerin Annette Schavan (CDU) antreten werde, halte sie für „eher unwahrscheinlich“. Karriere sei ihr nicht wichtig. Monatelang habe sie überlegt und nach und nach „die größere Nähe zur CDU“ entdeckt. Den Grünen habe sie sich nicht nur in der Finanz-, sondern auch in der Gesundheitspolitik entfremdet.
Die Fraktion hatte sie Mitte vergangener Woche erst nach einer kontroversen Diskussion aufgenommen. Günther Oettinger hatte sich in einem längeren Statement für sie eingesetzt, nachdem auch er Schelte bezogen hatte, weil er schon vor der Entscheidung mit der Kandidatin an die Öffentlichkeit gegangen war.
Dederer war schon im Sommer 2004 in ihrer Partei angeeckt, als sie ihr Mandat im Flowtex-Untersuchungsausschuss niederlegte. Sie soll dem PR-Berater Moritz Hunzinger im Zusammenhang mit der unklaren Finanzierung eines Gutachtens ein Protokoll des Gremiums zugespielt und damit gegen einen Beschluss des Ausschusses verstoßen haben. Anschließend weigerte sie sich, der Fraktion Einblick in ihre E-Mail-Kontakte mit Hunzinger zu gewähren.
Nähe zur CDU-Politik hatten vor Dederer schon andere baden-württembergische Grüne bekundet. Ihr bei der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl gescheiterter Fraktionskollege Boris Palmer votierte anschließend ebenso für die CDU wie Dederers Ehemann, der Grüne Michael Jacobi, der das OB-Amt in Bietigheim-Bissingen vergeblich angestrebt hatte.
Nach dem abrupten Wechsel Dederers gilt das Klima zwischen den Grünen und der CDU allerdings als mehr als frostig. Die Grünen haben Dederer inzwischen zum Rücktritt aufgefordert. Fraktionschef Wilfried Kretschmann: „Ihr Mandat hat sie eindeutig von der Grünen, und nicht von der schwarzen Wählerschaft.“ Heike Dederer jedoch beharrt darauf, dass sie im Parlament nicht nur eine Partei, sondern „alle Bürger“ vertreten wolle. HEIDE PLATEN