: Leichtmütiger Aufbruch
BEAT-CLUB Die wichtigste deutsche Popsendung der „Roaring Sixties“ gibt es jetzt komplett auf DVD
VON JAN FEDDERSEN
Allein das irgendwie an eine Baustelle erinnernde Studiodesign mit Metallgestänge und Tanzflächen wie auf schmutzigem Parkett: Bereits die erste Sendung dieser Show am 25. September 1965 brach mit allen Konventionen, die damals das Fernsehen pflegte. Aber der „Beat-Club“ sollte und wollte mit diesem Look brechen, denn das Publikum, das die ARD hauptsächlich an sich band, war schon damals so alt, wie Jugendliche Ältlichkeit nur empfinden können. Das Mandat, das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu verjugendlichen, erhielt der schon damals als eher zeitgenössisch bekannte Sender Radio Bremen. Und dort arbeitete, mit eigener Budgetverantwortung, ein kaum dreißigjähriger Mann namens Mike Leckebusch, und der wiederum machte aus dieser Sendung über 83 Ausgaben eine Legende zu deren Lebzeiten.
Leckebusch, später Produzent des kaum weniger beliebten „Musikladens“, entrümpelte für seinen „Beat-Club“ alles, was jene, die an den Sounds aus England und USA Gefallen fanden, als uncool genommen hätten. All die Rüschen- und Damenhaftigkeit, die Kulissen mit operettenhaften Ballkleidtreppen, diese beißende Humtatahaftigkeit der ästhetischen Angebote – Leckebusch brach mit ihnen heftig.
Der „Beat-Club“ wurde senderintern für derart irrlichternd und provokant im sonstigen TV-Angebot fantasiert, dass ein Fernsehansager vor der ersten Sendesekunde ein Statement abgeben musste. Wilhelm Wieben, viele Jahre später ein Gesicht der „Tagesschau“, teilte sonor mit: „Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beat-Musik nicht mögen, bitten wir um Ihr Verständnis: Es ist eine Livesendung mit jungen Leuten, für junge Leute. Und nun geht’s los.“
Die wichtigste Verkaufsrepräsentantin, wenn man so will, dieser, wie es in Senderbriefen hassglühend hieß, „Hottentottenparade“ mit „Negermusik“, war Uschi Nerke. 1944 im tschechischen Komotau geboren, zur Beat-Club-Moderatoren-Premiere 21 Jahre jung, Architekturstudentin, wurde von Leckebusch quasi aus der bremischen Studentenboheme aufgelesen: Sie war das Antlitz dieser Provokation, sie las vor – und sie tat es mit derart gebührender, also subversiv wirkender Harmlosigkeit, dass der „Beat-Club“ die Avantgarde geben konnte: Alles andere roch gegen ihn streng und fies. Alles, was lässig war, cool, dufte, trat beim „Beat-Club“ auf – Jimi Hendrix, Alice Cooper, die Rattles, Lord und Sweet, auch Manfred Mann, Marion, Jimmy Cliff, die Easy Beats, you name it!
Nerke, eine echt dufte Braut, wie man damals sagte, hielt sich bis zur letzten Sendung. Ihrer undepressiven Frische verdankt sich, dass die Roaring Sixties als Dekade des leichtmütigen Aufbruchs erinnerbar bleiben. Wer nicht im „Beat-Club“ auftrat, war unter Jugendlichen ein Nichts: Alle „Beat-Clubs“ sind nun der Nachwelt erhalten worden. Drei DVD-Pakete dokumentieren, was die Sache war.
■ The Story of Beat-Club, Vol. 1–3, 24 DVDs, ca. 4.000 Minuten, Studio Hamburg Distribution, zu bestellen über www.ard-video.de