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Archiv-Artikel

Der neue Nachbar der USA

Mit seinen Soldaten im Irak beobachtet Washington Damaskus mit Argusaugen

BERLIN taz ■ „Als Nächstes wird Syrien für den Tsunami verantwortlich gemacht.“ Mit diesen Worten versuchte Ministerin Buthaina Schaaban gegenüber CNN die internationalen Vorwürfe an ihre Regierung ins Lächerliche zu ziehen. Die wichtigsten lauten: Damaskus unterstütze bewaffnete palästinensische und libanesische Gruppen, sei mit 14.000 Soldaten noch immer im Libanon präsent, gewähre im eigenen Land ehemaligen Mitarbeitern Saddam Husseins Zuflucht und unterstütze darüber hinaus auch noch irakische Aufständische.

Auf das Selbstmordattentat der Gruppe Islamischer Heiliger Krieg in Tel Aviv mit 6 Toten angesprochen, sagte Schaaban in der TV-Diskussionsrunde, Syrien habe „nie einen Terroranschlag auf irgendjemand“ ausgeführt. Hinsichtlich der Forderung nach dem Abzug der Besatzungstruppen aus dem Nachbarland wies sie darauf hin, dass Syrien seine Truppen im Libanon bereits „umgruppiert“ habe, ehe die internationale Gemeinschaft darum ersuchte. Beide Staaten hätten einen Zeitplan für den Abzug, fügte sie hinzu, ohne aber im Einzelnen darauf einzugehen.

Die syrische Regierung steht zweifellos unter erheblichem internationalem Druck. Jüngster Anlass dafür ist – neben dem Anschlag in Tel Aviv – die Ermordung des ehemaligen libanesischen Regierungschefs Rafik Hariri, die Syrien oder prosyrischen Kräften im Libanon zugeschrieben wird. Allerdings sind die Forderungen, die Unterstützung für die bewaffneten Gruppen einzustellen und die Truppen aus dem Libanon abzuziehen, keineswegs neu und bereits Teil der UN-Resolution 1559 vom Herbst vergangenen Jahres.

Der vermehrte internationale Druck auf Syrien geht in erster Linie auf eine Veränderung der Beziehungen zwischen Washington und Damaskus zurück. Mit dem Scheitern der israelisch-syrischen Verhandlungen im Jahr 2000, der Machtübernahme von Baschar al-Assad in der Nachfolge seines Vaters Hafis im gleichen Jahr, dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus nach dem 11. September und vor allem dem Krieg im Irak haben sich die Spielregeln geändert. Für die USA hat die Stabilisierung der Lage im Irak Vorrang. Schließlich geht es auch um das Leben amerikanischer Soldaten, von denen 150.000 im östlichen Nachbarland Syriens stehen. Entweder ihr helft uns im Irak, oder wir denken über ein „regime change“ nach, lautet die mal mehr, mal weniger offene Botschaft. Daher kommt es Washington gelegen, wenn Damaskus auch an anderen Fronten, im Libanon oder durch Israel, das eine diplomatische Offensive gegen Syrien eingeleitet hat, verstärkt unter Druck gerät.

Die Regierung in Damaskus hat laut Presseberichten darauf reagiert, indem sie bei der Ergreifung des Halbbruders von Saddam Hussein und seiner Mitstreiter hilfreich tätig war. Dies wurde zwar von Washington begrüßt, ist jedoch gleichzeitig auch ein Hinweis darauf, dass an den Vorwürfen etwas dran ist. Das Vorgehen entspricht einem gängigen Muster der syrischen Politik: Wenn der Druck zu groß wird, macht man an einer Stelle Konzessionen. Doch in einem Punkt sind sich beide Seiten im Grunde weiter einig: Syrien könnte eine wichtige Rolle für Frieden und Stabilität in der Region spielen.

Eine Unwägbarkeit sind aber die Verhältnisse in Syrien selbst. Baschar al-Assad ist bald fünf Jahre an der Macht und hat in dieser Zeit die innenpolitischen Zügel etwas gelockert. Aber noch immer ist unklar, wer im Land das Sagen hat: Assad oder die alten Apparate, das Militär und die Geheimdienste. Und in den Straßen der syrischen Hauptstadt ist der „Widerstand“ gegen US-Soldaten im Irak und gegen Israel nach wie vor populär. BEATE SEEL