Bärenschwund beim NDR

Michael Thürnau ist die Fleisch gewordene norddeutsche Gemütlichkeit. Das Schwergewicht lässt bei seiner FettWegShow darüber abstimmen, ob er es schafft, 25 Kilo abzunehmen. Unterstützt wird diese Sternstunde des öffentlich-rechtlichen Fernsehens von der AOK und der Filmförderung nordmedia

Von Christina Stefanescu

Mit einer handelsüblichen Personenwaage kann er sein Gewicht nicht bestimmen, obwohl er bereits 17,5 Kilo abgespeckt hat. Es muss schon eine Lastenwaage sein. Noch ist NDR-Moderator Michael Thürnau 7,5 Kilo von seinem Wunschgewicht entfernt. Schafft er es nicht, bis zum 14. März auf 155 Kilo zu schrumpfen, wird Carlo von Tiedemann von der „NDR-Quizshow“ Thürnaus Sendung „Bingo! – Die Umweltlotterie“ moderieren. Das darf nicht sein! Bingo, das ist nicht nur Sonntag für Sonntag eine Stunde vor dem Fernseher sitzen und hoffen, dass die richtigen Zahlen kommen. Bingo, das ist norddeutsche Gemütlichkeit, Fleisch geworden als dicker Mann mit roter Weste. Michael Thürnau ist der „Bingo-Bär“. Ohne Thürnau kein Bingo!

Seit dem 10. Januar verbreitet das NDR-Fernsehen montags ab 18.15 Uhr eine halbe Stunde lang den neuen Schlankheitswahn des mit Abstand dicksten Moderators des Deutschen Fernsehens (und das auch noch nach der Abmagerungskur). „FettWegShow“ nennt der innovative öffentlich-rechtliche Sender sein Diäthäppchen, das für den figurbewussten Zuschauer zumindest zeitlich perfekt zwischen Leberwurststulle und Feierabendbier passt. Man könne das alles nachmachen, sagt Thürnau, es sei gar nicht so schwer, man müsse sich nur überwinden, dann mache es sogar Spaß.

Man soll also wie Thürnau auf dem Ergometer schwitzen, mit Stirnband und Skistöcken durch den nahe gelegenen Forst walken und danach etwas Gemüse zu sich nehmen statt mit dem Auto zum Italiener um die Ecke zu fahren und sich die Salamipizza mit doppelt Käse servieren zu lassen. Und dokumentieren soll man die Plackerei für die schlanke Linie auch gleich – im „FettWegPass“, einem kleinen grünen Heft. Entworfen hat es die AOK. Erhältlich ist es bei der AOK. Und deshalb wird sie auch in jedem dritten Satz erwähnt.

All das, was Thürnau vorturnt, kann der Zuschauer, wie gesagt, nachmachen. Allerdings unter erschwerten Bedingungen. Schließlich hat er zu Hause keine Katrin Krebs. Die blonde Frau Krebs spricht wie ein Roboter, und mit derselben maschinellen Präzision überwacht sie Thürnaus Taille. Während der die 31-Jährige sonntags bei der Bingo-Show als Reporterin zu Außendrehs schickt, schickt sie ihn montags bei der FettWegShow auf die Lastenwaage. Wenn er nicht mindestens zweieinhalb Kilo weniger wiegt als in der Woche zuvor, strafversetzt sie den bösenbösen Bingo-Bär zum Kulissenschieben und Kunstblutkaltstellen beim Musical „Tanz der Vampire“ oder zum Trikotwaschen und Rasenpflegen beim Fußball-Drittligisten Holstein Kiel.

Weiteres Manko beim heimischen Abspecken: Es fehlt der Ernährungsberater, natürlich von der AOK. Der Motivator überwacht Thürnau nicht nur im Studio, einmal lauert er ihm auch auf dem Weg zur Arbeit auf. Als Verkehrspolizist verkleidet schwenkt er die rote Kelle und lässt den Kaloriensünder rechts ran fahren: FettWegPass-Kontrolle. Auto stehen lassen, laufen. Der Bauch muss kleiner werden. Dem Zuschauer fehlt ein solcher Moralapostel.

Und es fehlt ihm auch ein prominenter Gast. So einer wie Roberto Blanco, der in der vergangenen Woche bei seinem feisten Freund vorbeischaute. Schließlich kann ein bisschen Spaß beim Abnehmen nicht schaden – und Roberto hat eine Menge Spaß mitgebracht. Zum Beispiel den Witz mit der Zartbitterschokolade. Die er nicht isst, weil er sich sonst in die Finger beißt. Wegen der gleichen Farbe, jaja. Großes Gelächter im Publikum.

Doch Roberto ist nicht nur zum Scherzen da. Er kann mehr als – wie einst im Werbefernsehen – Tiramisu aus der Packung holen. Roberto dünstet gekonnt frisches Gemüse und rammt Holzspieße in wehrlose Schalentiere. Er verdrängt Thürnau vom Pfannenwender und übernimmt für den Rest der Sendung das Regiment in der Küche.

Die halbe Stunde ist gleich vorbei. Da wird schnell noch ein schneidig lächelnder Carlo von Tiedemann zugeschaltet. Der will offenbar gar nicht in die riesige rote Weste des Bingo-Bären schlüpfen und eine Stunde mit dessen Jüngern verbringen, denn er wünscht dem schwitzenden Koloss viel Erfolg beim Abnehmen. Der bedankt sich und sagt tschüss und bis zur nächsten Woche, dann mit Diät-Expertin Susanne Fröhlich. Frau Krebs lächelt, Abspann.

Und zu Hause beim Zuschauer? Flasche leer, Stulle alle. Was bleibt, ist das gute Gewissen, eine halbe Stunde lang etwas für die Gesundheit getan zu haben. Man weiß jetzt, wie man abnehmen könnte, wenn man denn irgendwann mal abnehmen wollte. Und das ist schon der erste Schritt. Darauf noch ein Bier. Prost, AOK. Prost, Frau Krebs. Prost, Bingo-Bär!

Nächste Sendung: heute, 18.15 Uhr; die letzte Folge wird am Montag, 14. März gesendet