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Archiv-Artikel

Alles „voll durchgetaktet“?

Uneinigkeit im Parlament: Bleiben die ursprünglich für die Kulturhauptstadt vorgesehenen Mittel erhalten oder werden sie „deutlich reduziert“? Die Vertreter der großen Koalition widersprachen sich

Bremen taz ■ „Die Stunde war spät, Herr Senator“: Noch während der Rede des Kultursenators in der gestrigen Debatte der Stadtbürgerschaft über Bremens kulturelle Zukunft meldete sich SPD-Chef Carsten Sieling zu Wort – um Peter Gloystein an die gemeinsam im Koalitionsauschuss beschlossenen Zielsetzungen zu erinnern. Nämlich: „Wir werden die vorgesehen Etats deutlich reduzieren.“

Gemeint sind die 60 Millionen Euro, die laut Gloystein trotz des Kulturhauptstadt-Bewerbungsendes „vom Volumen her im Grundsatz nicht in Frage gestellt“ worden seien. Unstimmigkeiten zeigten sich auch in der Frage der vom Senat zwar längst beschlossenen, haushaltsrechtlich aber noch nicht freigegebenen so genannten zweiten Tranche des Kulturhauptstadtfonds, der insgesamt 8,5 Millionen Euro enthält. Sieling über den Koalitionsbeschluss: „Zur zweiten Tranche haben wir deutlich nichts gesagt.“

Forderungen der Grünen und CDU-VertreterInnen nach baldiger Freigabe ernteten den Kommentar: „Dafür schließe ich aber keine Schule.“. Ein Zwischenruf von SPD-Bildungspolitikerin Ulrike Hövelmann, den die Grüne Karin Krusche (selbst Grundschullehrerin) nicht stehen lassen wollte: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ Mit bemerkenswerter Aufmerksamkeit folgte das Plenum ihrer engagierten Rede: „Bisher haben wir gemeinsam dafür gekämpft, mit Kultur der Stadt ein Gesicht und ein Profil zu geben.“ Wolfgang Schroers (CDU) verwies darauf, dass in Bremen im Bundesvergleich die geringsten Mittel pro Kopf für Kultur ausgegeben würden. „Auch in diesem Sinne sollte man einmal Benchmarking“ betreiben.“

SPD-Kultursprecherin Carmen Emigholz schließlich mahnte das „Lernen von den Siegern“ an: Im Fall von Görlitz nannte sie den „Mut der Verzweiflung“, mit dem die kleine wirtschaftlich darniederliegende Stadt um den Titel gekämpft habe sowie das Setzen auf Nachbarschaft (Görlitz bewirbt sich gemeinsam mit seiner polnischen Schwesterstadt jenseits der Neisse). Essen habe unter anderem auf das Ermöglichen einer „vernünftigen kulturellen Bildung“ gesetzt. Emigholz: „Auch wir brauchen eine Ausgewogenheit zwischen Events und einem grundständigen Angebot.“

Der Kultursenator betonte, dass trotz des Scheiterns der Bewerbung („ein an sich negativer Tatbestand“) die mit dem Hauptstadtbüro aufgebauten personellen Kapazitäten und inhaltlichen Ansätze erhalten blieben. Dazu gehöre auch die gestern endgültig vom Senat beschlossenen Neuorganisation der Kulturverwaltung unter Einbeziehung der „Kulturmanagement Bremen“ (kmb), bisher privatrechtlich organisierten Finanzcontrolling GmbH. Der Fahrplan hierzu sei „voll durchgetaktet“ (Gloystein). Die vakante Leitung der Gesamtabteilung werde – „optimistisch geschätzt“– allerdings erst Ende des Jahres erfolgen, erklärte Ressortsprecher Helge Christoph Rheders auf Nachfrage.

Henning Bleyl