: Ablasshandel als Geschäftsidee
Ein Kölner Netzwerk will Investoren beraten, die nach den Regeln des Kyoto-Protokolls mit Klimaschutzprojekten in der „Dritten Welt“ Geschäfte machen wollen
KÖLN taz ■ Das vor wenigen Wochen in Kraft getretene Kyoto-Protokoll zeigt in Köln bereits Wirkung. Denn mit dem Start des internationalen Umweltabkommens zur Minderung von Treibhausgasen haben die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) und der TÜV Rheinland ein gemeinsames Netzwerk gegründet. Das „Kyoto Coaching Cologne“ (KCC) getaufte Kölner Netzwerk will Investoren beraten, die nach den im Kyoto-Protokoll festgelegten Regeln mit Klimaschutzprojekten in Asien, Afrika oder Lateinamerika Gutschriften für den Kohlendioxid-Ausstoß erzeugen möchten. Womöglich ein lukratives Geschäft für potenzielle Investoren. Denn die neu geschaffenen Gutschriften („Zertifikate“) können wie Aktien von Unternehmen in Industrieländern gekauft werden, um so ihrer Verpflichtung zur CO2-Reduktion nachzukommen.
„Wir rechnen mit einer steigenden Nachfrage nach diesen Emissionsgutschriften“, erklärt David Rusnok von der DEG. Und damit auch auf eine steigende Zahl an Investoren für solche Projekte, die mit dem Handel Profit machen wollen.
Der 34-jährige Rusnok ist bei der in Köln ansässigen Gesellschaft Experte für Klimaschutzprojekte. Der Grund für seine optimistische Prognose ist einfach. Da in Entwicklungsländern die meisten Kraftwerke veraltet sind, ist es billiger, dort Treibhausgase zu reduzieren als in den Industrieländern, wo die Anlagen oft schon auf dem neuesten Stand sind.
Wenn etwa eine Kölner Raffinerie die ihr zugeteilte Menge an CO2 überschreitet, kann sie entweder modernisieren oder Klimaschutzzertifikate erwerben. „Zwischen 10 und 100 Euro pro reduzierte Tonne Kohlendioxid müsste die Raffinerie im Moment für die notwendige Modernisierung bezahlen“, rechnet DEG-Experte Rusnok vor. Die Emissionsgutschriften sind dagegen preiswerter zu haben. Die Zertifikate, die zum Beispiel durch den Bau einer Windkraftanlage in Indien erzeugt werden können, kosten die Kölner Raffinerie derzeit nur rund 5 Euro pro Tonne CO2, die nicht mehr in die Atmosphäre gelangt.
Doch dem Gutschriftenhandel sind Grenzen gesetzt. Damit auch in den Industrieländern der Ausstoß von Treibhausgasen sinkt, hat die EU den Import dieser Umweltzertifikate limitiert; allein in Deutschland unterliegen derzeit 1.849 Anlagen der Reduktionsverpflichtung, 441 davon stehen in NRW.
Das Kölner Netzwerk hofft derweil auf Firmen, die Windkraftanlagen oder Biomassekraftwerke in Entwicklungsländern bauen wollen. Es verspricht ihnen eine umfassende Hilfe. „Neu an unserem Angebot ist die Bündelung der Beratung“, sagt Günter Schock, der beim TÜV die Klimaschutzprojekte betreut. Während die DEG ihr Wissen zu Finanzfragen einbringt, verfügt der TÜV über das technische Know-how. Zudem unterhalten beide Unternehmen seit Jahrzehnten Büros im Ausland und können so einfacher mit den Behörden vor Ort kooperieren.
Regional werden sich die Netzwerkpartner zunächst auf Erneuerbare-Energie-Projekte in Brasilien, China, Indien und Mexiko konzentrieren. Die Auswahl ist kein Zufall. DEG und TÜV sind dort beide vertreten. Allein der TÜV hat in China 700 Mitarbeiter. Außerdem sind die lokalen Rahmenbedingungen für Klimaschutzprojekte nach Einschätzung der Partner bereits ausreichend gut entwickelt. Das KCC bietet interessierten Unternehmen einen kostenlosen Kurzcheck des geplanten Projektes an. „Wir übernehmen anschließend entweder das gesamte Projektmanagement oder einzelne Aufgaben in dem komplexen Zertifizierungsprozess“, beschreibt TÜV-Experte Günter Schock die Arbeit des KCC.
Trotz des Optimismus‘ des neuen Netzwerks läuft das Beratungsgeschäft aber eher verhalten an. „Wir haben aktuell drei konkrete Projekte zur Nutzung von erneuerbarer Energie“, verrät Rusnok. THOMAS SPOLERT