: Die tun was! Weltweit.
Drei unterschiedliche Projekte – ihre Ziele hingegen sind gleich: Es geht um einen Tourismus, der nicht über die Köpfe der „Bereisten“ hinweg fegt. „To Do! 2004“-Preise für einen sozialverantwortlichen Tourismus auf der ITB verliehen
Bei Urlaubsreisen in Entwicklungsländer interessiert sich laut einer Umfrage etwa ein Drittel der 14- bis 29-jährigen Deutschen, rund 4,6 Millionen junge Menschen, für die persönliche Begegnung mit den Einheimischen. Ein beachtliches Potenzial. Wenn sie wissen wollen, wohin sie guten Gewissens reisen können, gibt ihnen der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung alljährlich auf der Internationalen Tourismus Börse in Berlin Hilfestellung. Er kürte – in diesem Jahr bereits zum zehnten Mal – die Preisträger des internationalen „To Do!“-Wettbewerbs für sozialverantwortlichen Tourismus.
Achtzig Prozent aller bisherigen Preisträger kamen aus Entwicklungsländern. So auch in diesem Jahr. Die Gewinner sind: Sansibar/Tansania, Nicaragua, Costa Rica. Alle drei Tourismusprojekte erfüllen nach Überprüfung durch Gutachter vorbildlich die Wettbewerbskriterien des „To Do!“-Preises: Die Einheimischen partizipieren, sie haben durch die touristischen Arbeitsplätze ein gesichertes Einkommen, streben die interkulturelle Begegnung zwischen Gastgeber und Gast an.
„Die Menschen wollen die Dinge selbst in die Hand nehmen und vorantreiben“, sagte Uschi Eid, Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung, in ihrer Laudatio auf die Preisträger. Dazu steht nicht zwingend im Widerspruch, dass alle drei ausgezeichneten Projekte auf Initiative und mit Hilfe von Ausländern auf den Weg gebracht wurden.
Zum Beispiel der „Chumbe Island Coral Park“. Die kleine Insel südlich von Sansibar ist fast vollständig bewaldet, ihr vorgelagert ist ein Korallenriff. Das prämierte Tourismusprojekt wurde von Sibylle Riedmiller, einer deutschen Entwicklungshelferin, angeschoben. Es arbeitet heute aber fast ausschließlich mit einheimischem Mitarbeitern. Um eine Öko-Lodge, die maximal 25 Urlaubern Platz bietet, hat sich ein umwelt-, sozial- und entwicklungspolitisches Gesamtvorhaben gruppiert. Die Einnahmen aus dem Tourismus werden für ökologische Schutzmaßnahmen, zur Bezahlung der Angestellten und für Schüler-Umweltbildungsprogramme verwendet.
Die Finca Esperanza Verde („Farm der grünen Hoffnung“) in San Rámon in Nicaragua geht auf Initiative der US-Amerikanerin Lonna Harkrader zurück. Anfang der Neunzigerjahre kam die Immobilienmaklerin mit ihrem Mann ins wirtschaftlich geschundene, vom Bürgerkrieg zerriebene Nicaragua. Lonna Harkrader baute ein gemeinsames NGO-Netzwerk zwischen Durham (North Carolina/USA) und San Rámon in Nicaragua auf. Touristen übernachten in der kleinen Öko-Lodge (26 Betten) oder bei Privatfamilien in San Rámon. Über das NGO-Netzwerk können die Campesinos fast ihre gesamte ökologisch angebaute Kaffeeernte an eine ökoorientierte Kaffeerösterei in die USA verkaufen und somit einen vierfach höheren Preis als auf dem Weltmarkt erzielen. Durch diese Einnahmen konnten wichtige Schulbauten, Wasserversorgung und Wiederaufforstung finanziert werden.
Die paneuropäische Kooperativenbewegung „Longo Mai“ erwarb im Jahr 1979 im Nordwesten von Costa Rica ein 800 Hektar großes Areal und gründete dort die Finca Sonador, eine Stätte des Asyls für Flüchtlingsfamilien aus Nicaragua, die vor dem dortigen Somoza-Regime fliehen mussten. Aus dem Flüchtlingsprojekt entstand eine inzwischen wirtschaftlich autarke Dorfgemeinschaft, die neben der Landwirtschaft auf Projekttourismus für Langzeitbesucher setzt. Ein Teil der bescheidenen Einnahmen geht als „Kurtaxe“ an das dorfeigene Tourismuskomitee. Die Besucher können für sieben US-Dollar pro Tag (Unterkunft und Vollpension) bei Gastfamilien leben und hier das convivencia-Prinzip kennen lernen: die Kunst des Miteinander-(Über)Lebens. Das Mitanpacken der Gäste ist erwünscht, „Voluntarios“ (Freiwillige) helfen gemäß ihrer Fähigkeiten bei der Dorfentwicklung mit: Sie geben Sprachunterricht oder vermitteln Computerkenntnisse, machen Workshops in Erster Hilfe oder bauen einen Fußballplatz.
GÜNTER ERMLICH
Finca Sonador, Cooperativa Longo Mai Apdo 292, 8000 San Isidro de El General P.Z., Costa Rica, E-Mail: zsp@gmx.net oder nueva@rasca.co.cr, Web: www.sonador.org Finca Esperanza Verde, Apart. P #28 Matagalpa, Nicaragua. E-Mail: herma@ibw.com.ni, Web: www.finca-esperanzaverde.org Chumbe Island Coral Park, P.O. Box 3203, Zanzibar/Tanzania, E-Mail: info@chumbeisland.com, Web: www.chumbeisland.com
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen