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A Letter To The Future Kuba/Brasilien 2011, R: Renato Martins

In einem Schaukelstuhl sitzt ein etwa 90-jähriger Mann, auf seinem Schoß ein Junge von vielleicht sieben Jahren. Pipo ist der Uropa von Diego. Pipo wohnt bei seiner Tochter Miriam Acelia Torres Santos in einem typischen 60er-Jahre-Bau in Havanna. Das Haus hat eine große Veranda, große Fenster, aber es ist ein Kasten. Möglichst einfach gebaut, um die vorhandenen Ressourcen dafür zu nutzen, dass alle ein Dach über dem Kopf haben. Pipo kann nicht mehr gut laufen, aber er ist sehr wach und aufmerksam und vermittelt seinem Urenkel seine Sicht auf die Lage der Dinge. Seine Lust am erörtern der politischen Lage ist ebenso typisch kubanisch wie sein Schaukelstuhl. Es sind einige Schaukelstühle zu sehen in „A Letter To The Future“.

2003 kam der Brasilianer Renato Martins das erste Mal nach Kuba, um mit seinem ersten Kurzfilm am „Festival del Nuevo Cine Latino Americano“ teilzunehmen. Er kam als Gast in Miriams Wohnung unter – so lernten sie sich kennen. Die 1944 geborene pensionierte Chemielehrerin war 14 Jahre, als die kubanische Revolution siegte und Fidel Castro, Che Guevara und ihre GenossInnen die Macht eroberten. Sie konnte studieren, unterrichten, Kinder bekommen ohne Angst vor einem sozialen Absturz. Nach zehn Jahren Ehe ließ sie sich scheiden und verarmte auch als Alleinerziehende nicht. Ihre Kinder konnten ebenfalls studieren. Diese Lebenserfahrung schwingt mit, wenn Miriam kämpferisch und selbstbewusst über die kubanische Gesellschaft spricht und die Errungenschaften der Revolution verteidigt. In der typischen Art, sich auf der Insel auszudrücken, regt sie sich auf dem Weg zum Bäcker darüber auf, dass es nach 40 Jahren Revolution immer noch kein vernünftiges Brot gäbe.

In den Film werden noch einige weitere Personen über die Familie hinaus vorgestellt. Einige, vor allem jüngere im Film interviewte haben andere, sehr diffuse Vorstellungen: Hier müssten Veränderungen her, das Land blockiert sich selbst, so Joan Ceppe, der ebenfalls arbeitslos ist und von Gelegenheitsjobs lebt. Viele KubanerInnen denken wie er bei Kapitalismus nicht an die elenden Lebensbedingungen für viele auf dem nahegelegenen Jamaika, sondern an die Mittelschicht in Florida. Aber in der Familie Torres klingt meist Stolz auf Kuba und das Erreichte an, niemand will das Leben auf Kuba gegen das in den USA eintauschen. Bis auf Miriams Sohn Julito, der auf Kuba Werbedesign studiert hat und damit jetzt in Miami erfolgreich ist. Es schmerzt Miriam, dass ihr Sohn wohl nie nach Kuba zurückkommen wird. Aber gleichzeitig ist sie froh, nach einem Besuch in Miami nach Havanna zurückzukehren. „A Letter To The Future“ dokumentiert als behutsame Langzeitstudie wie auf Kuba in der Bevölkerung über den karibischen Sozialismus gedacht wird. Und auf die Bevölkerung kommt es an, wenn es um Kubas Zukunft geht. Gaston Kirsche

Metropolis, Kleine Theaterstr. 10, Do, 5. 1., 19.00; Sa, 7. 1., 17.00; So, 8. 1., 17.00; Mo, 9. 1., 19.00 Uhr