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Archiv-Artikel

Zwei Zeichen gegen das Vergessen

Heute entscheidet die Kalker Bezirksvertretung, ob zukünftig in Brück zwei Straßen die Namen von Verfolgten des Nazi-Regimes tragen werden. Die Mehrheit ist knapp – aber sie müsste reichen

VON JÜRGEN SCHÖN

Der Metallarbeiter Peter Hagen starb im Konzentrationslager. Der Lehrer Otto Unger entkam dem Abtransport ins Todeslager in letzter Minute. Beide Männer lebten einst in Köln-Brück, nach beiden sollen jetzt Straßen in einem Brücker Neubaugebiet benannt werden. Heute Abend wird in der Bezirksvertretung Kalk darüber abgestimmt. Die Mehrheit ist knapp. Aber diesmal müsste es reichen.

Schon im Vorjahr hatte die Werkstatt für Ortsgeschichte Köln-Brück e.V. vorgeschlagen, per Straßenbenennung Hagen und Unger zu ehren. Dies sei „ein wichtiger Beitrag gegen das Vergessen“, begründete Fritz Bilz von der Geschichtswerkstatt den Vorschlag. So sei der antifaschistische Kampf von Peter Hagen lange unbekannt gewesen. Durch Zufall war Bilz auf seine Geschichte gestoßen.

Hagen, bis zur Machtübernahme der Nazis ehrenamtlicher Gewerkschaftsfunktionär im Deutschen Metallarbeiterverband, wurde 1944 verhaftet, kam ins KZ Buchenwald und wurde dort im Dezember des Jahres ermordet.

Otto Unger – obwohl evangelisch getauft, galt er nach den NS-Rassegesetzen als Jude – dagegen überlebte. Als 1944 sein Abtransport ins KZ drohte, tauchte er unter und versteckte sich bis zum Ende des Nazi-Terrors. Nach dem Krieg unterrichtete Unger noch elf Jahre lang an einem Deutzer Gymnasium. Er starb 1984.

Zunächst sollten im Mai vorigen Jahres zwei Straßen im Neubaugebiet am Oberen Bruchweg in Brück nach den beiden benannt werden. Aber die damalige Mehrheit in der Bezirksvertretung entschied sich dafür, die fünf zur Auswahl stehenden Straßen lieber nach berühmten Frauen – unter anderem Marion Gräfin von Dönhoff und Astrid Lindgren – zu benennen. Der Antrag der Geschichtswerkstatt wurde auf die nächste Gelegenheit verwiesen. Und die ist jetzt da: Zwei Erschließungsstraßen in der Nähe des Brücker Mauspfads könnten nach Hagen und Unger benannt werden, hat die Verwaltung jetzt vorgeschlagen.

Inzwischen hat jedoch der Brücker Heimat- und Geschichtsverein, die konservative Konkurrenz zur basisorientierten Geschichtswerkstatt, Catharina Coenen entdeckt, die im 15. Jahrhundert in Brück ein Armenspital gegründet hatte.

Die CDU-Fraktion, mit sechs Sitzen die größte in der Bezirksvertretung, griff diesen Vorschlag auf. Die andere Straße könne hingegen nach Unger benannt werden, so die Christdemokraten. „Damit erfüllen wir die Parität zwischen den Geschlechtern und zwischen den Antragstellern“, sagte Fraktionschef Jürgen Schuiszill der taz. Die Verwaltung hatte allerdings vorgeschlagen, nach Coenen eine Stichstraße zum Kindergarten nahe der Kirche St. Hubertus zu benennen. Das jedoch lehnt die CDU ab.

„Wir verstehen die Christdemokraten nicht“, wundert sich Oliver Krems, der die fünf Köpfe zählende SPD-Fraktion führt. Hagen und Unger hätten ihren Platz in der Ortsgeschichte, und es sei das richtige Zeichen, durch Straßennamen an sie zu erinnern. Seine Partei werde deswegen der Verwaltungsvorlage in allen Punkten zustimmen.

Während sich der „Pro Köln“-Vertreter dem CDU-Antrag anschließen will, spricht sich die NPD erwartungsgemäß entschieden gegen die Ehrung der beiden Naziopfer aus. Der NPD-Vertreter plädiert stattdessen für den neutralen einheitlichen Namen „Am Königsforst“.

Für Angelika Behring von den Grünen, die zwei Frauen in die Bezirksvertretung entsenden, steht indes fest: „Wenn Rechtsextreme wie NPD und ‚Pro Köln‘ in Rat und Bezirksvertretung vertreten sind, ist es um so wichtiger, die Opfer des Nationalsozialismus zu würdigen.“ Eine Wertung, der sich auch Özgür Demirel von der PDS anschließt. Und FDP-Frau Christa Wirtz will ebenfalls für die Verwaltungsvorlage stimmen. Das wäre mit neun gegen acht Stimmen die Mehrheit. Wirtz: „Eine Ablehnung wäre peinlich.“

Heute Abend erinnert die Werkstatt für Ortsgeschichte an das Kriegsende in Brück. Die szenische Lesung mit Musik findet in der Scheune von Gut Wistorfs statt (20 Uhr, Olpener Str. 845).