: Wechselspiele
HANDEL Am Mittwoch schließt die Transferliste der Bundesliga. Gute Investitionen: Minderjährige. Eugen Bopp war 16
■ Der Termin: Am 31. Januar schließt die Transferliste in der Fußball-Bundesliga. Damit endet die Frist, in der Vereinswechsel erlaubt sind. Danach können nur noch vertragslose Spieler verpflichtet werden.
■ Die Minderjährigen: Die TSG Hoffenheim hat einen Dreizehnjährigen von Berlin in den Kraichgau gelockt. Doch das ist noch harmlos. In England nahm Manchester United zuletzt sogar einen Fünfjährigen unter Vertrag.
VON JOHAN KORNDER
Eugen Bopp war 16 Jahre alt, als er auszog, das Glück zu suchen. Er träumte den Traum vieler Jungs: Er wollte Fußballprofi werden. Dafür war er bereit, sein Elternhaus in München zu verlassen, um nach England in ein Internat zu gehen. Seine Geschichte handelt auch von einem Geschäft, in dem Menschen ein Marktwert zugeschrieben wird. Ein Geschäft, bei dem in Menschen Hoffnungen geweckt werden und die selbst zu Hoffnungen werden: sie werden gekauft, getauscht und ihr Marktwert muss mindestens erhalten werden.
Am 31. Januar schließt die Transferliste der Bundesliga. Bis dahin können Vereine Spieler ein- und verkaufen. Die Objekte der Begierde werden dabei immer jünger. Der englische Verein Manchester United nahm im vergangenen Jahr einen Fünfjährigen unter Vertrag. Auch der hat einen Traum.
Eugen Bopp, heute 28, hat seinen verwirklicht, er wurde Profi. Aber seine Geschichte bleibt die eines uneingelösten Versprechens. Sein Marktwert ist nun geringer, als er es vor zehn Jahren war. Eugen Bopp suchte das Glück und fand sich im Mittelmaß wieder.
Im Sommer 2000 spielte Bopp mit der U17-Nationalmannschaft ein Turnier in Italien. Dort wurde er von Talentspähern entdeckt. Er bekam Angebote aus Italien, Spanien und England. Bopp war Realschüler, 9. Klasse, er kickte in der Jugendabteilung des FC Bayern München. Damit war er seinem Traum schon sehr nah, denn nur die Besten spielen beim FC Bayern und nur die Allerbesten in der Jugendnationalmannschaft. „Aber damals war es sehr schwer, in die erste Mannschaft zu kommen“, sagt Bopp im Rückblick. Die Ära der Lahms und Schweinsteigers, die den Sprung aus der Jugendabteilung in den Profibereich schafften, sollte erst kommen.
Also nahm Bopp das Angebot des Nottingham Forest Football Clubs an. Es war die erste große Entscheidung seiner Karriere. Der Verein überzeugte den Jungen mit der Perspektive, schon bald in der ersten Mannschaft zu spielen. „Ich brauche Spielpraxis“, sagte Bopp. Seine Eltern überzeugte das Konzept der „Football Academy“. „Der Junge braucht einen Schulabschluss“, sagte die Mutter. Bopp bekam verlängerten Weihnachtsurlaub und Freiflüge für seine Eltern.
Bei Forest gehen die Jungs auf ein Internat. Vormittags lernen sie in der vereinseigenen Schule, nachmittags gehen sie auf den Trainingsplatz auf der anderen Straßenseite. „In England musste ich weder Schule noch Fußball vernachlässigen“, sagt Bopp.
Es war die Zeit der jungen deutschen Talente in England. Ein halbes Dutzend Jugendlicher wechselte wie Bopp auf die Insel. Bopps Kumpel Philipp Lahm, mit dem er bei Bayern in der Jugend spielte, blieb in München, gewann später Titel, wurde Nationalspieler. Doch die Ausbildung in England galt als beispielhaft, heute hat jeder deutsche Verein eine Akademie, sie ist laut Deutscher Fußball Liga Pflicht.
Vier Jahre vor Bopps Wechsel klagte Marc Bosman, ein belgischer Spieler, vor dem Europäischen Gerichtshof ein, ablösefrei wechseln zu dürfen, da sein Vertrag ausgelaufen war. Damals begann sich zu entwickeln, was heute als „Millionenspiel“ oder „moderner Menschenhandel“ bezeichnet wird. Gilt der Vertrag eines Spielers nur noch ein Jahr, wird er seitdem meist verkauft, denn nur so lässt sich noch eine Ablöse einstreichen. Werterhaltung. Vertragslose, also ablösefreie Spieler, bekommen seitdem Einmalzahlungen in Millionenhöhe und langfristige Verträge.
Damals begann die Jagd auf junge Talente. Die Clubs holen seither die Spieler schon im Kindesalter – und das ist bis heute so. Zuletzt ging im Dezember der 13-jährige Niko Franke von Berlin nach Hoffenheim. „Ich persönlich finde, man sollte nicht mit 12 oder 13 schon wechseln. Das ist sehr früh. Da hat man noch kaum Lebenserfahrung.“, sagt Bopp, der sich selbst mit 16 bereit fühlte, in ein fremdes Land zu ziehen. „Ich denke, für mich war es nicht zu früh“, sagt er heute.
Der europäische Fußballverband untersagte trotzdem ein Jahr nach Bopps Umzug Spielern unter 18 Vereinswechsel ins Ausland. Die Deutsche Fußball Liga würde die Kinderwechsel gern verbieten, auch innerhalb Deutschlands. Doch die Vereine sperren sich: Sie haben Angst, junge Spieler zu übersehen. „Es ist eben billiger, Spieler als Jugendliche zu holen, als sie später teuer zu kaufen“, bestätigt Bopp.
EUGEN BOPP
Auch Bopps Wechsel nach England war ein Versprechen. Eine halbe Million Mark Ablöse war der 16-Jährige dem englischen Zweitligisten Nottingham wert. Bopp unterschrieb einen Vertrag und verdiente auf einen Schlag ein Managergehalt. Dafür ließ er seine Familie und seine Freunde zurück. „Das erste halbe Jahr war nicht einfach“, erzählt er. „Ich war raus aus meinem Umfeld, musste eine neue Sprache lernen, auf eigenen Beinen stehen. Man muss schneller erwachsen werden, wenn man so früh wechselt.“
Er schien alles richtig gemacht zu haben. Erste Mannschaft mit 18. Schöne Tore. Publikumsliebling. Forest verlängerte den Vertrag, Werterhaltung. Es sah so aus, als könne Bopp eines Tages triumphal in die Heimat zurückkehren. Doch dann verletzte er sich, musste vier Monate pausieren, die Mannschaft spielte schlecht, der Trainer, ein Förderer Bopps, wurde entlassen, der Verein stieg ab. Nach zwei Jahren, mal auf dem Feld, oft auf der Bank, ging er in die dritte englische Liga, wechselte zur zweiten Mannschaft des englischen Erstligisten Portsmouth. Auch der Club stieg ab – und Bopp kam zurück nach Deutschland.
Von Triumphzug keine Spur. Er unterschrieb beim abstiegsbedrohten Drittligisten Carl Zeiss Jena. Dort lief es ordentlich, der Abstieg wurde, auch dank Bopp, vermieden, doch der Verein hatte kein Geld, den Vertrag zu verlängern. Seitdem ist Bopp vereinslos. Sein Marktwert hat sich längst halbiert. Wertverlust.
Seinen Traum hat er sich trotzdem erfüllt. Er ist Profi geworden. Vielleicht ging es zu schnell, vielleicht hat er sich manchmal falsch entschieden, vielleicht war es Pech. Er blieb wohl zu lange in Nottingham, obwohl er nicht mehr spielte, dann die Verletzung. „Ich stehe zu meinen Entscheidungen“, sagt er heute. Aber wenn er ehrlich sei, sagt er, denke er natürlich manchmal drüber nach, was wäre gewesen, wenn. „Ja mei“, sagt Bopp, „Philipp Lahm hat wohl mehr richtige Entscheidungen gefällt als ich.“ Aber Bopp findet es noch immer richtig, nach England gegangen zu sein: „Man darf nicht zu viel bereuen.“