: Schwamm drüber
Der Superstar von Super RTL ist christlichen Fundamentalisten nicht geheuer: „SpongeBob Schwammkopf“ läuft trotzdem täglich (19.45 Uhr)
VON CLEMENS NIEDENTHAL
Eine dieser vielen seltsam sinnlosen Fragen, die, wenn es jemand gut mit dieser seltsam sinnlosen Frage meint, bestenfalls bei Wigald Boning landet, also eine dieser vielen seltsam sinnlosen Fragen lautet: Haben Fische Durst?
Würden Fische durch die Welt von SpongeBob Schwammkopf und Thaddäus Tintenfisch schwimmen, dann hätten sie vermutlich sogar Hunger. Womit das grundlegend Schizophrene an diesem Zeichentrick-Wunderland bereits an einem ersten Indiz festgemacht wäre. Die Unterwasserwelt des gelben Schwammkopfs mit den Angus-Young-Schuluniform-Shorts ist Wasser und Welt zugleich. Ist Sammelbecken und Melting Pot der unterschiedlichsten ästhetischen wie narrativen Systeme.
Meeresbiologie light
Die Geschichte beginnt, wie solche Geschichten beginnen. Mit einer Idee, für die sich in diesem Fall Stephen Hillenburg, Trickfilmspezialist und ausgebildeter Meeresbiologe, verantwortlich zeichnete. Am 17. Juli 1999 läuft die allererste Folge der allerersten „SpongeBob Squarepants“-Staffel im US-amerikanischen Zeichentricksender Nickelodeon. Am 6. Mai, also in wenigen Tagen, startet die aktuelle vierte Staffel hier in Deutschland bei Super RTL.
Und wenn Nickelodeon – dann unter dem Namen Nick – am 12. September ins deutsche Satelliten- und Kabelfernsehen zurückkehrt, wird der gelbe Schwamm sogar einen weiteren Heimatsender haben. Erfolgreich ist er ohnehin mindestens für zwei. Bei Vorschulkindern genauso wie unter Popkultureklektikern, die sich ja auch schon Bart Simpson (so gelb wie SpongeBob) oder Bernd, das Brot (so eckig wie SpongeBob), erschlossen hatten.
Genauso wie Bart und Bernd macht es ihnen auch SpongeBob leicht. Er, der Schwamm, der die Zeichen aufsaugt, sampelt und ausspuckt, wie man es auch von Laptop-Elektronikern oder einer Volksbühnen-Inszenierung erwartet. Er, der Schwamm, der genauso von den Verhältnissen ausgewrungen wird, wie man das so oft im eigenen Alltag zu spüren glaubt. Nicht ohne Grund begleitet SpongeBob den prototypischen aller McJobs: Er ist Krabbenburgerbrater im Fast-Food-Imbiss „Krosse Krabbe“.
Und weil das ein ziemlich würdeloses Beschäftigungsverhältnis ist, beschließen SpongeBob und sein Kollege Thaddäus eines Tages einen Streik. Aber der geht in SpongeBobs karierte Hose. „Erst kommt das Fressen, dann die Moral, die Masse ist und bleibt ein wankelmütiges Wesen“, darf Taddäus dann Bert Brecht zitieren. Womit das epische Theater ganz wohlbehalten in seinem genauen Gegenteil angekommen wäre, nämlich in einem infantilen, überdrehten, Yellow-Submarine-bunten Zeichen(trick-)Overkill.
Zu tolerant, der Schwamm
Und diese Zeichen können töten. Zumindest fühlte sich ein gewisser James C. Dobson, Gründer der christlich-konservativen Vereinigung „Focus on the Family“, im vergangenen Januar genötigt, SpongeBob zumindest eine „Toleranz für verschiedene sexuelle Identitäten“ zu unterstellen.
Im Klartext: Der Schwamm mit der übersteuerten Stimme, den weißen Kniestrümpfen und seiner Schoßschnecke Gary sei schwul. Insofern ein kurioser Gedanke, da Schwämme bekanntlich gar kein biologisches Geschlecht haben, das es dann genderdiskursiv zu unterminieren gäbe. Oder, andersherum argumentiert: Der geschlechtslose Schwamm ist die perfekte Projektionsfläche für listige Finten und symbolische Widerlager. Schwamm drüber über die Verhältnisse.
Die Verantwortlichen von Super RTL haben die Saugkraft von „SpongeBob Schwammkopf“ indes längt begriffen. Die Geschichten aus Bikini Bottom, jenem Westentaschen-Hawaii tief unter dem Meer, laufen seit einiger Zeit zusätzlich zum Nachmittagsprogramm auch um 19.45 Uhr. Ungefähr dann sind auf Pro7 gerade die „Simpsons“ vorbei und die Zeit reif für eine Welt, in der Tränen schon mal wie Rasensprenger klingen. Eine Welt, in der Thaddäus Tintenfisch – und nicht Müntefering – „das Großkapital in seinen Grundmauern erschüttern“ will. Wie viel Spaß, soweit eine letzte Frage, machen solche Sätze einem Sechsjährigen?