: „Ist Joschka Fischer cool?“
Mit aussagearmen Ja-Nein-Fragen und launenhaften, unrepräsentativen Zuschauerantworten bot der News- und Doku-Kanal N 24 bei seiner Visa-TV-Übertragung einen „inhaltlichen Mehrwert“
Was glauben Sie, wird Joschka Fischer es packen? Hm? Andere Frage: Hat Joschka Fischer es drauf? Oder was meinen Sie so: Ist Joschka Fischer ein cooler Typ?
Wenn Sie Spaß an der Beantwortung derartig aussagearmer Ja-Nein-Fragen haben, war N 24 am Montag der richtige Sender für Sie. Dort konnten Zuschauer diese Fragen nicht nur einfach so beantworten, nein, sie konnten das Ergebnis ihrer Beteiligung sogar in Echtzeit am Bildschirm verfolgen. Der News- und Doku-Kanal veranstaltete nämlich während seiner mehr als achtstündigen Übertragung vom Visa-Untersuchungsausschuss ein sogenanntes „N 24-Live-Voting“ per Telefon.
Und so ein Live-Voting ist gar nicht mal unkompliziert: Wer „mitvoten“ wollte, musste sich zunächst per 09 00-Nummer (12 Cent pro Minute) einwählen und erwarb damit quasi das Recht, bei den nächsten vier Fragen wieder anrufen und mit abstimmen zu dürfen. Anfangs wurden am unteren Bildschirmrand vier Fragen pro Stunde eingeblendet, schon recht schnell erhöhte der Sender jedoch die Frequenz auf vier Fragen pro Viertelstunde. In einem Extrafenster zeigten zwei meist stark schwankende Balken für wenige Sekunden den jeweils aktuellen Stand des Live-Votings an. Dann wurde die nächste Frage eingeblendet. Und so ging das von morgens halb zehn bis abends um sechs.
Repräsentativ ist solch ein Telefonvoting natürlich nicht. Aber darauf kam es N 24 auch nicht an, sagt Sprecher Torsten Pütsch. „Es ging darum, ein jeweils aktuelles Stimmungsbild zu zeigen.“ Und mehr als eine aktuelle – und möglicherweise etwas diffuse – Stimmung kann natürlich schon aufgrund der Art der Fragen nicht dabei herauskommen: „Ist Fischer in seinem Amt überfordert?“, „Nimmt Fischer die Visa-Affäre ernst genug?“, „Ist die Atmosphäre im Ausschuss zu kollegial?“, „Hätte Fischer schon längst zurücktreten sollen?“, „Ist Fischer reif für den Rücktritt?“, „Redet Fischer um den heißen Brei?“, „Zieht Fischer eine Show ab?“ Tja, so was eben.
Pütsch findet, dass man durch eine derartige Aktion einen „inhaltlichen Mehrwert“ für die Zuschauer schaffe, und wertet sie als Erfolg. Insgesamt riefen 18.000 Zuschauer während der Übertragungszeit an, und N 24 dürfte vorsichtig geschätzt zwischen 100 und 120 Fragen gestellt, pro Frage dürften rund 650 Anrufer geantwortet haben.
Und wer weiß, vielleicht waren sie einfach froh über die zusätzliche Möglichkeit, Zeit totzuschlagen, oder darüber, eine kleine flüchtige Spur in der Welt hinterlassen – in Form eines sich bewegenden Balkens im Fernsehen.
Bei N 24 sieht man in dieser Möglichkeit, Zuschauer einzubinden, zwar noch keinen Trend, überlegt aber, so etwas zu wiederholen, wenn es „redaktionell Sinn macht“, so Pütsch. Schließlich gäbe es beispielsweise auch die Möglichkeit, dass die Moderatoren direkt eingehen könnten auf die Ergebnisse der launenhaften, unrepräsentativen Zuschauervotings.
Finanziell aber hatte das N 24-Live-Voting nur für die Telekom Vorteile, an die gingen die 12 Cent pro Anruf nämlich komplett. Und auch, was die Quote angeht (die übrigens laut Pütsch bei dieser Übertragung auch nicht im Vordergrund stand, sondern der Anspruch, Transparenz herzustellen), lag N 24 nur leicht über dem Durchschnitt.
Zwischen 80.000 und 130.000 Menschen schauten sich die Übertragung an, was laut N 24 einem Marktanteil von 1 Prozent entspricht. Ein wenig anders sah es bei n-tv aus. Dort gab es nur die klassisch nichtrepräsentiative TED-Umfrage mit über 100.000 Anrufern und vom Beginn bis zum Ende der Live-Übertragung um 21.30 Uhr zwischen 90.000 und 320.000 Zuschauer (1,3 Prozent).
Phoenix nun stellte aber einen ziemlich stattlichen Quotenrekord auf: Während des gesamten Übertragungszeitraums zwischen 9 und 23 Uhr hatte der Sender durchschnittlich 400.000 Zuschauer (4 Prozent). Zwischen 9.59 Uhr und 14.23 Uhr waren es nach Angaben des Senders 700.000. Das entspricht einem Marktanteil von 10 Prozent. In Ermangelung irgendwelcher irgendwie gearteter Telefon-Votings fällt die Freude über irgendwelche Anruferzahlen bei Phoenix allerdings aus.HEIKO DILK