: „Ich bin offensiver geworden“
Wer in der Denkmalpflege etwas erreichen will, muss sich mit den primär Verantwortlichen anlegen, meint Kölns langjähriger Stadtkonservator Ulrich Krings, der seit dem Wochenende im Ruhestand ist
Interview ISABEL FANNRICHund CORD MACHENS
taz: Herr Krings, schmerzt es Sie, dass am Ende Ihrer Amtszeit die Oper noch nicht saniert und die Zukunft des Schauspielhauses noch ungewiss ist?
Ulrich Krings: Das schmerzt mich schon seit Jahren. Ich würde einen Abriss auch schon von Teilen, aber erst Recht des Opernhauses selbst nicht nur für einen denkmalpflegerischen, sondern auch für einen kulturpolitischen Gau halten.
Unter Ihren Augen ist die denkmalgeschützte Oper peu à peu verschandelt worden, etwa durch das Anbringen von Werbetafeln und Scheinwerfern, durch den Verlust von geschütztem Inventar und die Unterbringung der Kinderoper im Foyer. Wieso hat die Denkmalpflege nicht eingegriffen, als das noch möglich war?
Ich halte es noch lange nicht für zu spät. Gegen die Verschandelung habe ich gearbeitet. Die Reklamen sind mehrmals in Briefen und mündlichen Ermahnungen gegenüber der Intendanz moniert worden. Und die Kinderoper ist gegen das Votum meiner Dienststelle in einer aus meiner Sicht völlig unheiligen Allianz der seinerzeitigen Kulturdezernentin Kathinka Dietrich von Weringh und des damaligen Opernintendanten Günter Krämer durchgesetzt worden. Ich kann nicht nur vom Oberbürgermeister zurückgepfiffen werden, sondern schon in erster Instanz von meinem Vorgesetzten, dem Dezernenten oder der Dezernentin.
Beim Kampf für die Bewahrung der Domplombe haben Sie große Sympathien geerntet. Allerdings wird die Plombe jetzt zugemauert.
Für die Domplombe habe ich mich stark gemacht. Sie ist mit allen Mitteln, die die Denkmalpflege der Stadt und des Landes haben, geschützt worden. Wir haben argumentativ alles dazu getan. Dann ist folgendes Ritual abgelaufen: Der damalige Oberstadtdirektor verbot mir, die Plombe offen zu halten. Daraufhin hat der Landeskonservator den Minister angerufen. Und der hat dann die Erlaubnis erteilt.
Ist der Denkmalpfleger grundsätzlich jemand, der mehr aus der Defensive heraus handelt, der sich und seine Arbeit verteidigen muss?
Er muss nicht sich verteidigen, sondern seine Schützlinge. Im Mittelpunkt steht immer die Überlegung: Mit diesem Objekt will jetzt der Eigentümer etwas tun, oder es droht zu verfallen. Dann muss man versuchen, sich einzumischen und alle Beteiligten dazu zu kriegen, vernünftig damit umzugehen. Da stört man immer irgendwelche Kreise. Man muss sich inhaltlich so fit machen, dass man ohne Blessuren aus diesen Kämpfen herauskommt. Das gelingt nicht immer.
Bei der Dom-Bahnhofstreppe, die ein raffinierter 60er-Jahre-Bau war und jetzt ersetzt wird, haben Sie sich nicht eingemischt.
Spätestens ein Jahr nach Einweihung der neuen wird man sagen: Wie konnte man nur diese spannende Treppe abreißen? Ich habe diese Treppe von allen Seiten begutachtet und für mich beschlossen, sie wäre denkmalwert. Aber diese von allen in der Stadt ungeliebte Treppe jetzt mit einem Knall unter Schutz zu stellen? Da habe ich zu mir gesagt: Ich habe so viele andere Fronten. Das Thema packe ich nicht an.
Sie haben den Abriss des Stadthauses nicht verhindern können. Die Bahnhofshalle konnten Sie indes erhalten, den Gürzenich und das Historische Rathaus sanieren. Sind Sie mit Ihrer 14-jährigen Arbeit zufrieden ?
Ich halte die Bilanz überwiegend für positiv. In der Zusammenarbeit mit meinem Team – das sind immerhin zehn Wissenschaftler plus Fotografen und Verwaltung – ist sehr viel erhalten worden und erhalten geblieben. Natürlich ist auch durch das Geld der Bürgerinnen und Bürger, der Eigentümer, viel saniert worden. Das Stadtbild sieht nach diesen 14 Jahren wesentlich erfreulicher aus als in der Zeit davor.
Haben Sie sich in Ihrem Amt eher als offensiv oder defensiv empfunden?
Schwer zu sagen. Ich habe mich in den ersten Jahren, vom Typ her, eher defensiv verhalten. Irgendwann habe ich kapiert, dass ich damit nicht weiter komme und bin dann zunehmend offensiver geworden. Nicht mit Publicity oder schrillen Fanfarenstößen, sondern positiv: Wo packt man am besten an und wo kriegt man mit den für das Denkmal primär Verantwortlichen Kontakt, um mit ihnen das sich entwickelnde Problem anzupacken.
Es gibt seit dem Zweiten Weltkrieg mehrere Haltungen in der Denkmalpflege: Restaurierung, kreative Denkmalpflege, dann die archäologische Denkmalpflege, die Spuren an Gebäuden erhält – wie die Domplombe. Wie ist da Ihr Ansatz?
Ich gehöre zu den Denkmalpflegern, die in den 80er und 90er Jahren in leitende Positionen gekommen sind und die in ihrer Schul- und Studentenzeit die kreative Denkmalpflege mitbekommen haben. Diese Generation schützt das Vorhandene mit Zähnen und Klauen und stürzt sich bei Umnutzungsstrategien fast wie Fetischisten auf die Substanz. Sie gehört nicht zu denen, die dann sagen, man sollte irgendwelche Lücken jetzt in den Stilformen füllen, die dort vorhanden sind. Das gleiche trifft auch generell das Votum, dass man total verlorene Substanz auch nicht rekonstruierend wieder aufbaut.
Ein Plädoyer gegen den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses oder der Dresdener Frauenkirche?
Die Frauenkirche ist eine Ausnahme. Die Wende hat einen gewissen Tabubruch zur Folge gehabt. Der Wiederaufbau erschien plötzlich wieder denkbar und ist dann trotz starken Protests der alten westdeutschen Denkmalpflege einfach durchgeführt worden. Mittlerweile sagt auch in der alten Bundesrepublik kein Mensch mehr, das hätte man nicht tun sollen. Dieses geschundene, heruntergekommene Fleckchen Erde, das Dresden war, hat die Chance genutzt, die andere Städte – und jetzt komme ich zu Köln zurück – schon nach 1945 haben nutzen können.
Von wo aus werden Sie das weitere Schicksal von Oper und Schauspielhaus verfolgen?
Von Köln aus. Ich bin jetzt seit 26 Jahren hier, bin hier heimisch geworden. Ich habe keinen Grund zu fliehen. Ich möchte in meinem Ruhestand noch Kölner Architekturthemen weiter behandeln. So plane ich, bis Jahresende 2006 den lange angekündigten Stadtspurenband 2 über Zerstörung und Wiederherstellung der Romanischen Kirchen vorzulegen.
Haben Sie vor, sich als ehemaliger Stadtkonservator undiplomatischer in die Kölner Politik einzumischen?
Nein. Es ist eine gute Tradition für Mandats- oder Amtsträger, dass sie in ihrem Ruhestand nicht die Tagespolitik ihrer Nachfolger kritisieren oder sich einmischen. Wer immer hier Nachfolger wird – die Frage ist ja leider noch nicht geklärt – soll die Freiheit haben, aus eigenem Ermessen denkmalpflegerische Entscheidungen zu fällen. Das ist ein Akt der Höflichkeit.