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Damit die Sonne niemals untergeht

Die Dächer der Stadt bieten hervorragende Flächen für den Bau von Solaranlagen. Doch die öffentliche Förderung ist niedrig. Der 2003 gegründete Berliner Solarverein baut Gemeinschaftsanlagen, an denen sich BürgerInnen beteiligen können. Die vierte geht im Sommer in Weißensee ans Netz

VON MATTHIAS BRAKE

Am Anfang stand eine einfache Idee: Sonnenenergie ist mehr als genug vorhanden – sie wird aber noch viel zu selten zur Energieerzeugung genutzt. Berlin wiederum bietet auf seinen Dächern ideale Standorte für Solaranlagen. 2003 gründete sich deswegen der Solarverein mit dem Ziel, möglichst vielen BürgerInnen die Teilnahme an Solaranlagen zu ermöglichen. Somit ließe sich nicht nur ein Beitrag für den Klimaschutz leisten, sondern würde man vor allem die Kosten für die teure Technik teilen. Das Konzept ist erfolgreich: Im Sommer wird die vierte Bürgersolaranlage in Betrieb gehen – auf dem Dach der Brillat-Savarin-Schule in Weißensee.

Entscheidend zum Erfolg des Vereins beigetragen haben die niedrigen Kosten für Interessenten: Schon für Einlagen ab 500 Euro können BerlinerInnen Teilhaber einer Photovoltaikanlage werden. Bereits im zweiten Jahr nach seiner Gründung lieferten so drei kollektive Anlagen Energie: zwei auf dem Dach der Werkgemeinschaft für Berlin-Brandenburg in Zehlendorf, an denen sich jeweils 24 Gesellschafter beteiligten, die dritte auf dem Oberstufenzentrum „Tiem“ in Spandau. Hier schlossen sich 46 Teilhaber zusammen.

Der Solarverein organisiert die Gründung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), die den privatwirtschaftlichen Betrieb je einer Solaranlage gewährleisten. Gesellschafter sind die BürgerInnen, die sich mit Anteilsscheinen an den Investitionskosten beteiligen. Laut Claudia Pirch-Masloch, der Vorsitzenden des Vereins, hat das Konzept inzwischen auch in Brandenburg Nachahmer gefunden: Im Juli 2004 gründete sich in Beelitz die Brandenburger Bürger-Solar GbR; ihre Solaranlage auf dem Dach der Gesamtschule ist im Dezember 2004 in Betrieb gegangen. Am 15. März dieses Jahres fand in Kleinmachnow die Gründungsversammlung für eine Bürgersolaranlage auf dem Dach des neuen Rathauses statt.

Doch insgesamt spielt die Sonne als Energiequelle in Berlin nur eine sehr untergeordnete Rolle: Von den bundesweit rund 600.000 Solaranlagen befinden sich lediglich rund 0,5 Prozent in Berlin. Bezogen auf die Kollektorfläche pro Einwohner liegt Berlin so unter 155 berücksichtigten Städten und Gemeinden abgeschlagen auf dem 142. Platz. Dabei hätte Berlin geografisch gesehen sehr gute Voraussetzungen, die Sonne zu nutzen. Mit einer jährlichen Einstrahlung von durchschnittlich 1.000 Kilowattstunden pro Quadratmeter liegt Berlin nur wenig hinter den 1.050 Kilowattstunden pro Quadratmeter von Freiburg.

Es gibt wenig Anstrengungen von Seiten der Landespolitik, am geringen Interesse an Solarenergie etwas zu ändern. Schlimmer noch: Entgegen mehrfachen Ankündigungen, man wolle sich für den verstärkten Einsatz regenerativer Energien einsetzen, – und der im Koalitionsvertrag angekündigten Zielmarke, Berlin solle „Solarhauptstadt“ werden – wurde die Solarförderung angesichts leerer Kassen nicht bloß verringert. Sie wurde ganz eingestellt. Während in der Bundesrepublik 2004 laut der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft erstmals mehr Photovoltaikanlagen installiert worden sind als beim bisherigen Spitzenreiter Japan, koppelte sich die Berliner Landespolitik freiwillig aus.

Im Berlin stehen seit der Streichung der eigenen Solarförderung nur noch die Bundesprogramme und die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz als finanzieller Anreiz zur Verfügung. Dabei zeigt die Statistik, wie erfolgreich solche Programme hier sein können. So wurde in der Stadt die Errichtung von Solaranlagen im Jahr 2001 noch mit rund 2 Millionen Euro gefördert – die Neuinstallationen stiegen auf 549 Solaranlagen, gegenüber rund 300 Anlagen 2000. Diese Steigerung beflügelte die Erwartungen der Berliner Solarbranche mit ihren derzeit 3 mittelständischen Solartechnikproduzenten und rund 100 Handwerksbetrieben und Fachhändlern.

Seit das Förderprogramm eingestellt wurde, versucht man, Solarprojekte zumindest durch Überzeugungsarbeit auf Bezirksebene und durch die informelle Vernetzung der verschiedenen Akteure zu fördern, sagt Wolfram Müller vom Referat Klimaschutz der Senatsverwaltung. Eine dieser Initiativen ist die Solardachbörse, in der öffentliche Dachflächen Investoren zum Bau von Solaranlagen angeboten werden.

Andere Kommunen profitieren hingegen vom positiven Image der Sonnenenergie: etwa Freiburg, das inzwischen zu einem Synonym für preisgekrönte Solarprojekte geworden ist, oder München, wo auf dem Dach der Neuen Messe öffentlichkeitswirksam die weltgrößte Photovoltaik-Anlage auf einem Dach in Betrieb ging. Zudem zeigt das Beispiel dieser beiden Kommunen, wie klimapolitisches Engagement auch für wirtschaftliche Anreize und die Förderung der heimischen Wirtschaft sorgt. In Bayern und Baden-Württemberg sind rund 60 Prozent der deutschen Solaranlagen installiert; dort konzentriert sich auch die Mehrzahl der 20.000 Arbeitsplätze in der Solarwirtschaft.

In Großstädten sind die Rahmenbedingungen für die Installation von Solaranlagen auf Gebäuden natürlich schwieriger als für Besitzer von ländlichen Eigenheimen, die über die notwendigen Dachflächen verfügen – erst recht in einer Stadt wie Berlin, in der 90 Prozent der Bewohner Mieter sind, für die sich der Traum von der eigenen, oft teuren Solaranlage allein kaum realisieren lässt. Umso mehr sind neue Konzepte gefragt, die die finanziellen und organisatorischen Hürden senken. Der Erfolg des Solarvereins ist vor dem Hintergrund der schwierigen Berliner Gegebenheiten umso erfreulicher. Der Verein sucht übrigens noch Dächer, die mietfrei zur Verfügung gestellt werden.

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