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Archiv-Artikel

Sie wollen, aber keiner will sie

In Düsseldorf haben Politiker aus Köln nicht viel zu melden. Nach der Wahl am kommenden Sonntag könnte mit dem Grünen Michael Vesper auch der letzte Kölner aus der Landesregierung fliegen

VON PASCAL BEUCKER UND FRANK ÜBERALL

Es war einer seiner letzten öffentlichen Auftritte: „Wenn die größte Stadt des Landes nicht mehr im notwendigen Maß an Entscheidungen beteiligt ist, muss sich das ändern“, polterte Hans-Jürgen Wischnewski auf dem Parteitag der Kölner SPD im Dezember vergangenen Jahres. Früher, da hätten die Kölner noch Minister- und Landtagspräsidenten gestellt, klagte er und erinnerte an Heinz Kühn und John van Nes Ziegler. Überhaupt sei „die rheinische Seite gegenüber der westfälischen nicht mehr stark genug“.

Zumindest letzteres dürfte sich nach der Wahl am kommenden Sonntag ändern – wenn auch anders als von „Ben Wisch“ erhofft. Dann wird wohl mit dem Pulheimer Jürgen Rüttgers erstmalig nach 27 Jahren wieder ein Rheinländer Regierungschef in Düsseldorf werden. Am geringen Einfluss Kölns wird sich hingegen nichts ändern. Denn wie bei der SPD, so tummeln sich auch bei der CDU Kölnerinnen und Kölner in der Landespolitik nur auf den hinteren Bänken.

Dabei sah es lange so aus, als würden zumindest die Christdemokraten mal wieder einen Kölner für ministrabel halten: Der stellvertretende Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Hermann-Josef Arentz war im Falle eines Wahlsiegs bereits fest als Minister eingeplant. Doch dann kam dem ausgewiesenen Sozialpolitiker Ende 2004 seine großzügige Alimentierung durch den Energiekonzern RWE in die Quere.

Wenn Kölner Politiker der beiden großen Parteien in den vergangenen Jahren überhaupt überregional für Aufsehen sorgten, dann stets zielsicher im Zusammenhang mit Skandalen und Affären. So wie der Ex-Chef der örtlichen CDU und Noch-Landtagsabgeordnete Richard Blömer. Belastet gleich durch mehrere Ermittlungsverfahren, wurde der bereits wieder nominierte mutmaßliche Parteispendenschummler im Dezember nach persönlicher Intervention von Spitzenkandidat Rüttgers und in einer Kampfabstimmung spektakulär als Wahlkreisdirektkandidat wieder abgewählt.

Der Blömer der SPD heißt Norbert Rüther. Allerdings erwischte es ihn in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode noch wesentlich heftiger: Er ist inzwischen nicht einmal mehr Parteimitglied. Der Landesparlamentarier, der auch dem Präsidium der NRW-SPD angehörte, stürzte im März 2002 über die von ihm organisierte illegale Spendenpraxis der Kölner SPD. Hunderttausende Euro waren als „Danke-Schön-Spenden“ in die klamme Parteikasse geschleust und über falsche Spendenquittungen „weißgewaschen“ worden. Der Skandal erschütterte seine Partei in den Grundfesten. Und er hätte beinahe auch noch einem anderen Kölner MdL die politische Karriere gekostet. Doch der Vize-Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Marc Jan Eumann, der zu den Empfängern fingierter Spendenbescheinigungen gehört, überstand die Affäre mit einem blauen Auge.

An dem Fall Rüther lässt sich allerdings noch ein weiterer Grund ablesen, warum der hiesige SPD-Unterbezirk seit dem – nicht ganz freiwilligen – Abtritt von Anke Brunn als Wissenschaftsministerin 1998 nicht mehr in der Landesregierung vertreten ist. Denn das könnte nicht zuletzt damit zusammen hängen, dass es die führenden Köpfe der Kölner SPD häufig nicht gerade aufgrund eines ausgeprägten Interesses an der Landespolitik in den Landtag zog. Vielmehr diente ihnen das Landtagsmandat – und die damit verbundenen Diäten – vorrangig zur finanziellen Absicherung ihrer „ehrenamtlichen“ lokalen Aktivitäten. So hielt es Oberbürgermeister Norbert Burger ebenso wie die Ratsfraktionschefs Klaus Heugel und Norbert Rüther. Bemerkenswert, dass der heutige Fraktionsvorsitzende Martin Börschel mit seiner Landtagskandidatur nun offenbar die problematische Tradition seiner beiden Vorgänger fortsetzen will. Nichts gelernt?

Ungewiss ist zudem, ob Parteichef Jochen Ott im Falle seines Einzugs in den Landtag seinen politischen Schwerpunkt nach Düsseldorf verlagern wird. Denn denkbar ist auch, dass er sich hier nur für eine mögliche Kandidatur bei der Oberbürgermeisterwahl 2009 warmlaufen will. Immerhin sind bei den beiden großen Parteien noch Kölner im Landtag vertreten. Denn für die FDP gilt nicht einmal das. Wie bereits in dieser wird wohl auch in der kommenden Legislaturperiode keiner ihrer Abgeordneten aus Köln kommen. Denn aufgrund fehlender Aussicht auf ein Direktmandat hätte dafür ein Domstadt-Liberaler auf einem vorderen Listenplatz auf der FDP-Landesliste abgesichert werden müssen. Doch mit Hans-Hermann Stein steht der erste Kölner erst auf Platz 16. Das dürfte nicht reichen.

Ebenso wenig wie für die Kandidaten der PDS und der „Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit“ (WASG). Beide haben zwar Kölner auf vorderen Plätzen ihrer Listen – bei der PDS sind sogar drei unter den ersten fünf. Aber bei dem voraussehbaren Scheitern der beiden kleinen linken Parteien an der Fünfprozenthürde nützt das auch nichts.

Bleiben nur noch die Grünen. Tatsächlich haben sie bislang mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Michael Vesper und der Vize-Landtagspräsidentin Edith Müller gleich zwei aus Köln auf exponierten Positionen platziert. Aber auch dieser grüne „Ausrutscher“, glaubt man den Umfragen, dauert wohl nur noch bis zum 22. Mai. Dann dürfte der eine seinen Ministerposten los sein und die andere womöglich nicht mal mehr dem Landtag angehören. Denn Müller muss auf dem unsicheren Listenplatz 15 um ihren Wiedereinzug zittern.

Und dann könnte die einzige Millionenstadt im Lande wohl erstmalig in der Geschichte Nordrhein-Westfalens weder in der Landesregierung noch im Landtagspräsidium personell vertreten sein. Aber dafür ist ja der 1. FC jetzt wieder erstklassig. Mehr oder weniger.