: Zufriedenheit im Literaturlabor
Das Berliner Treffen junger Independent-Verlage in der Literaturwerkstatt unter dem Motto „Time to take charge“ kam ohne viel Programmatik und Kampfansage aus. Dafür ging es um die Lust auf Inhalte, die es auf dem Markt noch schwer haben
VON WIEBKE POROMBKA
Das Motto der jungen Independent-Verlage klingt nach Rebellion: „Time to take charge“ – Zeit, das Kommando zu übernehmen. Wenn aber Daniela Seel, die dreißigjährige Gründerin von kookbooks, ihren Kollegen von blumenbar fragt: „Wie bist du noch mal auf das Motto gekommen?“, dann weiß man: Hier ist alles halb so wild gemeint.
Neben kookbooks und blumenbar gehören Tropen und orange press zu den bekanntesten der Kleinverlage, die sich am vergangenen Wochenende in der Berliner Literaturwerkstatt getroffen haben. Ihre Labels stehen für das inhaltliche Profil der Veranstaltung. Hier geht es nicht um eine bunte Mischung aus Märchenverlag und engagiertem Hinterzimmerkopierer. Intellektuelle Trendverlage ist der Nenner, auf den sich die Independents am schnellsten einigen können. Tatsächlich gelten die kleinen Verlage für die großen Unternehmen als Laboratorien, in denen neue Ästhetiken für den Buchmarkt entwickelt und erprobt werden.
Spätestens seit auf der letzten Leipziger Buchmesse eine Gesprächsrunde zum Thema „Gründerzeit – Independents im Aufwind?“ stattgefunden hat, ist eine Euphoriewelle durch die Presse geschwappt. Die Verleger von kookbooks, blumenbar, aber auch tisch7 oder Yedermann werden als neue Generation gefeiert, die sich weigert, marktkonforme Massenware zu produzieren, um das schnelle Geld zu machen. Sie wollen neue Autoren, ein neues Buchdesign, und sie wollen Inhalte etablieren, die es auf dem Markt schwer haben.
Doch auch wenn bei diesem Treffen der unabhängigen Verlage viel über Inhalte gesprochen wird – die Frage bleibt, wie man sich mit ihnen durchsetzt, um die Renditen zu verdienen, die das Überleben sichern. „Es ist nahezu unmöglich, mit unseren Büchern in die Regale der großen Buchhandlungen zu kommen“, erklärt Daniela Seel. Der Hauptgrund: Kleine Verlage können sich kein Netzwerk von Vertretern leisten, die das Programm flächendeckend in den Buchhandlungen anbieten. Und einen Platz in den Barsortimenten des Zwischenhandels, über den die Buchhandlungen bis zum nächsten Tag bestellen können, kann Seel gar nicht finanzieren.
Deshalb kam sie gemeinsam mit Lars Birken-Bertsch von blumenbar auf die Idee, die Independent-Verlage zu vernetzen. Eine der wichtigsten Ideen für die Allianz der Kleinen ist die Konzeption eines gemeinsamen Kundenmagazins, das in den Buchhandlungen ausliegen soll. Dabei geht es nicht um eine Zusammenstellung von Werbetexten. Stattdessen wollen die Verlage ihr Programm Buchhändlern und Lesern mit Vorabdrucken und Autorenporträts präsentieren. Zeit also, das Kommando zu übernehmen. Auf der gemeinsamen Lesung am Freitagabend ist das Publikumsinteresse groß, auch wenn bis zu Beginn niemand weiß, wer überhaupt lesen wird. Zur Überraschung aller ist David Wagner dabei. Seine Texte verlegt er eigentlich bei Rowohlt und Piper. Aber beim kleinen Verlag Sukultur bringt er das heraus, was er seine „Pralinchen“ nennt: „Texte, die mir am Herzen liegen, die aber in den Programmen der Großen keinen Platz finden.“ Schließlich liest Daniel Falb aus seinem preisgekrönten Lyrikdebüt „die räumung dieser parks“ und Anne Zielke aus ihrer Novelle „Arraia“, die schon die FAZ vorabgedruckt hat.
Dass es hier um etwas Gemeinsames geht, fällt kaum auf. Die Autoren wissen vom Motto des Abends nichts, niemand ist in Kampfstimmung. Und nachdem Ambros Waibel, Autor des Verbrecher-Verlags, zu einem Rundumschlag gegen das Establishment im Literaturbetrieb ausgeholt hat, ist man auch ganz froh, dass es an diesem Abend nicht mehr Programmatik gibt.
Zwei Tage später präsentieren sich die Independents im Rahmen des Literaturfests auf dem Kollwitzplatz mit einem gemeinsamen Stand. Was hier angeboten wird, ist durch die Hände kluger Buchdesigner gegangen: die im schicken Loungestil gehaltenen Cover von blumenbar neben den aufwändig ziselierten Graphiken von kookbooks, dazu die bizarren Fotos auf den Einbänden von Tropen und das Weiß mit markig schwarzen Lettern auf den Umschlägen vom Verbrecher-Verlag – das zieht Aufmerksamkeit auf sich.
So gut gestylt soll es in Zukunft weitergehen. Auf der nächsten Messe in Leipzig will man einen eigenen Bereich der unabhängigen Verlage etablieren. „Ein kleines China-Town vielleicht“, sagt Daniela Seel. Und auch für Frankfurt haben sich in den vergangenen Tagen neue Perspektiven ergeben. Das International Department der Messe hat den Verlagen eine gemeinsame Außenvertretung angeboten, mit der sie sich auf großen internationalen Messen präsentieren können.
„Das mit dem Kommando“, verrät Lars Birken-Bertsch, „ist übrigens ein Zitat von Tom Petersen, dem Manager-Guru.“ Keine Rebellion also. Man muss nur einfach wissen, wie man das Ganze organisiert.