: Ran an die Löffel!
BEIKOST Stritten sich die Gelehrten lange darüber, welcher Zeitpunkt der richtige sei, mit dem Zufüttern zu beginnen, nimmt man es heute gelassener: Als „Zeitfenster“ für den Einstieg von Babykost statt ausschließlicher Milchnahrung gilt der fünfte bis siebte Monat
■ Stillen: Sie können Ihr Kind ohne Bedenken in den ersten 4 bis 6 Monaten voll stillen und danach nach der Einführung von Beikost so lange weiter stillen, wie Sie und Ihr Kind dies möchten.
■ Einführung von Beikost: Mit der Beikost werden die Milchmahlzeiten schrittweise durch Breimahlzeiten abgelöst. Zwischen dem 5. und 7. Monat wird als erster Brei ein Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei eingeführt. Einen Monat später wird eine weitere Milchmahlzeit durch einen Milch-Getreide-Brei ersetzt. Ihm folgt als dritter Brei ein milchfreier Getreide-Obst-Brei.
■ Für eine vegetarische Ernährung sollte der eisenreiche Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei durch vegetarischen Gemüse-Kartoffel-Getreide-Brei ersetzt werden.
■ Die verbleibenden Mahlzeiten werden weiterhin als Muttermilch oder Säuglingsmilch gegeben. Ab dem 10. Monat gehen die Breimahlzeiten der Säuglingsernährung in die Familienkost über.
■ Jede Breimahlzeit hat ein besonderes Lebensmittel- und Nährstoffprofil. Gegenseitig ergänzen sich die Breimahlzeiten zusammen mit den Milchmahlzeiten zu einer ausgewogenen Ernährung.
Auszug aus dem Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr des Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE)
VON OLE SCHULZ
Nach ein paar Monaten ist es so weit. Dann lautet das Motto: Ran an die Löffel, und man(n) sollte mit dem Zufüttern von Babybrei zur Milch begonnen. Für die Säuglinge ist das eine Sensation – die neuen Geschmäcker ebenso wie die ungewohnte Erfahrung, festere Nahrung vom Löffel zu essen.
Hieß es jahrzehntelang, dass möglichst bis zum vollendeten sechsten Monat voll gestillt werden sollte, bevor mit der Beikost angefangen wird, um Allergien vorzubeugen, sieht man das heute etwas gelassener.
„Man sollte sich beim Zufüttern nach dem Entwicklungsstand des Kindes richten“, empfiehlt die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Ute Alexy vom Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) in Dortmund. Alexy nennt als „Zeitfenster“ für den Einstieg den fünften bis siebten Monat – abhängig unter anderem von der motorischen Entwicklung, wann das Baby etwa damit anfängt, sich selbst Dinge in den Mund zu stecken. Auch wenn man den Eindruck hat, dass Milch es allein nicht mehr satt macht, ist der Zeitpunkt fürs Zufüttern erreicht.
Gern wird in Deutschland mit gekochter Karotte gestartet. „Mohrrüben haben den Vorteil, dass sie relativ süß sind und darum gern von den Babys gegessen werden“, so Alexy. Geeignet sind allerdings auch andere nitratarme Gemüse wie Kürbis, Blumenkohl, Brokkoli, Kohlrabi oder Fenchel.
Zunächst lohnt es sich kaum, einen ganzen Brei zu kochen, denn das Baby wird nur ein paar Löffelchen probieren – im besten Fall. Der Säugling muss sich an die neue Nahrung gewöhnen und daran, wie diese mit dem Löffel statt der Brust oder Flasche zu sich genommen wird. „Das ist so, wenn wir mit Stäbchen-Essen anfangen“, sagt Alexy. Allmählich kann das Gemüse dann zu einem vollständigen Brei erweitert werden. Das FKE empfiehlt einen klassischen Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei. Das Fleisch ist sinnvoll, weil Babys in ihrem zweiten Lebenshalbjahr einen hohen Eisenbedarf haben. Vom neuesten Trend aus den USA, dem „Baby-led weaning“, hält Alexy allerdings nicht viel. Noch gebe es keine Studie, die den Erfolg dieser Methode zur Milchentwöhnung belege. Dabei wird die Breiphase ganz übersprungen und stattdessen gleich Fingerfood serviert, zum Beispiel in Form von in Streifen geschnittenen Karotten, Kartoffeln und Äpfel oder Vollkornbrotrinde.
Es spreche tatsächlich nichts dagegen, so Alexy, dem Säugling gelegentlich ein Stück weiches Gemüse oder eine gekochte Nudel zum Probieren zu geben – so lernt er sowohl unterschiedliche Geschmäcker kennen als auch das Gefühl von fester Nahrung im Mund.
Eins ist insbesondere wichtig: Nicht alles, was man versucht, wird sofort erfolgreich sein. Da heißt es, Geduld zu bewahren und bei Gelegenheit einen weiteren Versuch zu unternehmen, Neues einzuführen. Manche Kinder benötigen mehr als zehn Versuche, um Gefallen an einem neuen Geschmack zu finden.
Sollte der Säugling vorher gestillt worden sein, ist der Beginn des Zufütterns im Übrigen ein guter Augenblick, bei dem der Vater verstärkt helfen kann. Manchem gilt diese Phase, wo sich das enge Band zwischen Mutter und Kind langsam lockert, auch als Übung, ein bisschen loszulassen. Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass die Mutter entlastet wird, wenn der Vater regelmäßig das Kind füttert. Und manchmal ist es für ihn sogar auch einfacher, weil das Baby von ihm keine Brust gewöhnt ist.
■ Das 1964 von der Förderergesellschaft Kinderernährung e.V. in Dortmund gegründete unabhängige Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) untersucht die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Wachstum und Stoffwechsel von Kindern und Jugendlichen mit dem Ziel, wesentliche Beiträge zur Förderung von Gesundheit und Entwicklung durch eine verbesserte Ernährung zu leisten. Das FKE veröffentlicht regelmäßig Empfehlungen für die Ernährung von Kindern und führt auch – kostenpflichtige – Telefonberatungen durch (01 80/ 4 79 81 83; 20 Cent/Anruf aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunkpreise können abweichen). Auf der FKE-Webseite www.fke-do.de finden sich auch Tipps zur Säuglingsernährung.
Bleibt die Frage, ob man auf kommerzielle Beikost setzt – oder den Brei selbst kocht. „Beides hat Vor- und Nachteile“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Alexy. Die preiswertere wie aufwendigere Variante ist es, den Brei selbst zu kochen – und im besten Fall ist das auch gesünder.
So schnitten in einer Untersuchung von Öko-Test vom März 2010 die Hälfte der Produkte nur „ausreichend“ bis „ungenügend“ ab, weil einige von ihnen „nennenswerte Mengen“ der krebserregenden Stoffe Benzol und Furan enthielten und oft mit der Zutat Fleisch gespart wurde. Zu beachten ist auch, dass die Produkte möglichst frei von geschmacksgebenden Zutaten wie Gewürzen, Nüssen, Schokolade, Kakao, Aromen sein und keinen Zusatz von Salz enthalten sollten.
Generell gelten für Säuglingsnahrung in Deutschland laut Alexy aber „strenge Grenzwerte“. Nur seien die Fertigbreie oft zu fettarm, weshalb die Zugabe eines Teelöffels Rapsöl sinnvoll sei. Alexy sieht einen weiteren Nachteil: „Die Gläschen werden lange erhitzt, sodass die Zutaten an Geschmack verlieren können.“ Wer es nun aber nicht schafft, sein Baby regelmäßig mit selbst zubereiteter Kost zu verwöhnen, empfiehlt Alexy, zwischendurch größere Mengen Brei zu kochen und portionsweise einzufrieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen