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Archiv-Artikel

Beach-Club bringt Gärtner auf die Palme

Rund 250 Gartenfreunde machen bei Beiratssitzung ihrem Ärger über geplanten Beach-Club am Weserstrand Luft. Auch auf Café-Sand-Betreiber Dieter Stratmann sind die Kleingärtner sauer: In ihm vermuten sie den eigentlichen Drahtzieher

„Einen Beach-Club hat jetzt jede Großstadt!“ „Aber Bremen ist doch ein Dorf!“

Bremen taz ■ Man kann verschiedene Vorstellungen von einer Stadt am Fluss haben. Kinder und romantische Naturen mögen das verwilderte Stück Strand rund um das alte DLRG-Haus beim Café Sand genau so, wie es jetzt ist. Tobias Meisner dagegen fände dort einen Beach-Club viel attraktiver: „Mit Hängematten, Liegestühlen und entspannter Musik – eine nette kleine Strandbar wie in Andalusien“, schwärmt der Geschäftsführer der Bremer Marketing-Agentur Lite Life. „Wir wollen den Bremern etwas Besonderes geben“ – „Was hier keiner haben will!“, wird er unwirsch unterbrochen.

Donnerstagabend im Saal der Gaststätte „Zum Kuhhirten“: Meisner sieht sich mehr als 200 verärgerten GartenfreundInnen gegenüber, die zur gemeinsamen Sitzung der Beiräte Mitte und Neustadt aufgelaufen sind. Sie wollen ihrem Ärger Luft machen, bevor die Beiräte ihr Votum zu Meisners Bauantrag für den Beach-Club abgeben.

Meisner will das Projekt vorstellen, allerdings scheinen die Details seines Konzepts die wenigsten Anwesenden zu interessieren. Kaum einen Satz kann er zu Ende bringen, ohne dass er unterbrochen wird. Noch mehr Lärm, mehr Dreck, mehr Autoverkehr würden der neue Beach-Club und seine Kundschaft in ihr Kleingarten-Gebiet ziehen, da sind sich die Gartenfreunde sicher. Man habe schließlich gesehen, was für ein Publikum der Beach-Club auf dem Teerhof angezogen habe: Autofahrer, lärmendes Party-Volk aus dem Umland – bis zu Tausend von diesen Leuten in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Kleingärten, diese Aussicht bringt die Gartenfreunde auf die Palme. Meisner versucht zu beschwichtigen: „Wir möchten niemanden stören.“ – „Dann bleibt doch weg!“ wird höhnisch geraten. Meisner kontert: „Einen Beach-Club in der Innenstadt hat inzwischen jede Großstadt.“ – „Bremen ist keine Großstadt, Bremen ist ein Dorf!“

Tobias Meisner bleibt nicht die einzige Zielscheibe für Wutausbrüche. Auch Dieter Stratmann, Inhaber des Café Sand, gerät ins Kreuzfeuer von Kritik und Pöbelei. Man verdächtigt ihn, der eigentliche Drahtzieher und Nutznießer hinter dem Beach-Club-Projekt zu sein. „Herr Stratmann hat den Beirat schon einmal über den Tisch gezogen – mit dem gemeinnützigen Verein Hal Över segelt er unter falscher Flagge“, wirft ihm ein Bewohner des Ostertors vor, der den Stadtwerder als „mein Naherholungsgebiet“ bezeichnet. Stratmann benutze die Finanzierung des Fährbetriebs durch die Einnahmen des Café Sand als Alibi, um seinen Gastronomie-Betrieb und seinen Gewinn stetig zu vergrößern – Verkehr, Lärm und Dreck in den Parzellen seien ihm dabei egal. „Das Café Sand ist inzwischen eine Katastrophe für Kleingärtner“ meint jemand.

Stratmann sieht sich ungerecht behandelt. Schließlich sorge er für die Sauberkeit am gesamten Strand und in der Umgebung: „Die Stadt zieht sich daraus vollständig zurück.“ Zum Beweis zeigt er Fotos von gefüllten Müllsäcken vor. Ein Gartenfreund springt auf: „Dieser Mann lügt“, schreit er. „Das sind Säcke, bezahlt und gefüllt von uns Kleingärtnern, nicht von Stratmann!“ Tumult im Saal – Stratmann schweigt und lächelt.

Ein Anwohner der Werderstraße wagt Widerrede: „Mich belästigt der Durchgangsverkehr der vielen Kleingärtner vor meinem Haus!“ Er sei nicht für den Beach-Club, auch nicht in der CDU, er wolle den Gartenfreunden nur den Spiegel vorhalten. „Das kotzt mich an: Man will den eigenen Garten mitten in der Stadt, aber die anderen sollen bitte da wegbleiben“, schreit er gegen einen Chor von Buh-Rufern an.

Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer mahnt zur Abstimmung. „Wer darf da jetzt mitstimmen?“ wird aus dem Saal gefragt. „Natürlich nur der Beirat!“, so Fischer. Unmut macht sich unter den Parzellisten breit: „Warum sind wir alle dann überhaupt hier?“ – „Was ist das denn für eine Demokratie?“ fragt eine ältere Dame ihren Mann.

Die Abstimmung fällt eindeutig aus – gegen den Bauantrag für den Beach-Club. Lediglich die drei CDU-Beiräte aus der Neustadt würden die Einrichtung der Strandbar befürworten. Allerdings unter strengen Auflagen: Beschallung sollte auf „lediglich zurückhaltende und seichte Musik“ beschränkt bleiben.

Damit hätte Tobias Meisner kein Problem gehabt: „Notfalls lassen wir die Musik eben ganz weg.“ Als er sich nach der Sitzung eine Zigarette anzündet, zittern seine Hände – vor Wut. Sauer ist er nicht so sehr über die Abstimmung, sondern wegen der Abschiedsworte eines Kleingärtners an ihn: „Mit Ihren Ideen wird Ihr Überleben in Bremen schwierig sein.“ Peter König