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Archiv-Artikel

Rot-grüne Krise nur noch ein Missverständnis

Koalition erklärt ihren Streit einfach für beendet. Kanzler will Fischer vor Vertrauensfrage „rechtzeitig“ einweihen

BERLIN taz ■ SPD und Grüne haben sich jetzt auch offiziell wieder lieb – ganz offensichtlich, um nicht auch noch ihre allerletzten Wahlchancen zunichte zu machen. „Wir haben uns gegenseitig auf die Schultern geklopft für sieben gute gemeinsame Jahre in der Regierung“, sagte SPD-Partei- und -Fraktionschef Franz Müntefering nach einem Treffen des rot-grünen Koalitionsausschusses am Dienstag. Es sei zwar notwendig, dass die SPD einen eigenständigen Wahlkampf führe. Aber wenn es der Wähler so entscheide, würden Sozialdemokraten und Grüne ihre Koalition nach der Bundestagswahl fortsetzen.

Als Müntefering Rot-Grün derart lobte, verzog er keine Miene. Die Streitereien der letzten Tage, das Grünen-Bashing führender Sozialdemokraten, die gezielte Indiskretion des SPD-Chefs, der Koalitionspartner trage die Unternehmenssteuerreform nicht mehr mit – Schwamm drüber. „Wir haben uns darauf verständigt, dass wir uns missverstanden haben“, erklärte Müntefering. Bei so viel demonstrativer Freundlichkeit wollte die grüne Parteichefin Claudia Roth nicht zurückstehen. Es hätte in den letzten Tagen zwar „sehr überflüssige Querschüsse“ gegeben, aber jetzt wolle die Koalition nach vorne schauen, sagte sie. Die Stimmung im Koalitionsausschuss sei „nicht routinemäßig freundlich“ gewesen – womit Roth nicht etwa sagen wollte, dass das Treffen in frostiger Atmosphäre verlaufen sei, im Gegenteil. Es sei „außerordentlich freundlich“ zugegangen, bestätigten mehrere Teilnehmer der taz.

Auch die „Irritationen“ über den konkreten Weg des Kanzlers zu Neuwahlen sind nach Auskunft der grünen Parteichefin ausgeräumt worden. Gerhard Schröder habe den Grünen gestern zwar nicht erklärt, in welcher Form er die Vertrauensfrage am 1. Juli stellen will. Er habe aber zugesichert, den grünen Vizekanzler Joschka Fischer „in Einzelfragen des Verfahrens“ einzubeziehen, und zwar „rechtzeitig“. Was „rechtzeitig“ heißt, erklärte Müntefering so: „Im richtigen Augenblick.“ Dann fügte er hinzu: „Ich bin sicher, der Kanzler wird den richtigen Augenblick erkennen.“ Roth rief hinterher: „Und der Vizekanzler auch.“ JENS KÖNIG