DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Verlegung der Kampfzone
WAS SAGT UNS DAS? Ein Fußballer wurde außerhalb des Stadions angegriffen – wohin mit den Fans?
Köln Samstagnacht, Tatort Diskothek Ivory: Der Leverkusener Spieler Michal Kadlec macht sich auf den Weg nach Hause. Er hat gerade den Auswärtssieg seiner Mannschaft gegen Hoffenheim gefeiert. Beim Verlassen des Clubs erkennen ihn zwei Fans des 1.FC Köln. Sie beleidigen Kadlec und brechen ihm schließlich das Nasenbein.
Dass Fans die Spieler gegnerischer Mannschaften auspfeifen, auch mal ein hämisches Transparent hochhalten, das hat Tradition im Fußball. Es ist auch normal, dass einige Fans nach den Spielen den körperlichen Nahkampf mit Schlachtenbummlern anderer Teams suchen. Doch warum kommt es nun fernab des Stadions zu Angriffen auf Unbeteiligte? „Die Gewalt verlagert sich raus aus den Stadien, denn die sind einfach zu sicher“, stellt Christian Hauschild vom Kölner Fanprojekt fest.
In den letzten Jahren wurde viel in die Überwachung und Kontrolle der Stadiongänger investiert. Gegnerische Fans werden schon bei der Anreise strikt getrennt, an den Stadiontoren streng durchsucht und bei Verdacht auf gewalttätige Handlungen verhängen die Vereine ein jahrelanges Stadionverbot.
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hält die bestehenden Verbote jedoch für nicht ausreichend. Er fordert einen „neuen, strengeren Verhaltenskodex“ und ruft zum Kampf gegen beleidigende Transparente und Sprechchöre. Unlängst schlug Niersbach sogar die Abschaffung der Stehplätze vor, denn von dort gehe die Gewalt ja aus.
Doch Fans zu stigmatisieren und in Sippenhaftung zu nehmen, geht an den Ursachen von Ausschreitungen vorbei. Der gemeinsame Gang ins Stadion ist ein wichtiges Gemeinschaftserlebnis. Hier ist der Ort, an dem sich junge Leute Luft verschaffen, wenn ihnen die Situation zu Hause, in der Schule oder auf der Arbeit über den Kopf wächst. Hier kann ungehemmt gebrüllt, geschimpft und gesungen werden. Dass dabei Grenzen gesucht und auch mal überschritten werden, gehört zur Natur der Sache.
Durch die zunehmenden Verbote vonseiten der Vereine, des DFB und der Polizei nimmt man jungen Fans die Möglichkeiten, am Fußball teilzuhaben. Dabei können sie gerade hier mit Unterstützung von Sozialarbeitern in den Fanprojekten auch Verantwortung lernen und gemeinsam Choreografien planen, Fahnen basteln und Fanmagazine verfassen. Drängt man die Menschen aus den Stadien, wird die Gewalt von dort verschwinden, das Problem wird sich jedoch nur verlagern.
PETER DITTMANN