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Archiv-Artikel

Auf nach Karlsruhe

ARD will Gebührenstreit vor Bundesverfassungsgericht. Politmagazin-Kürzungen beschlossen, Schleichwerbe-Konsequenzen weiter offen

„Die ARD zeigt immer noch mehr als alle anderen Sender– oder das ZDF“

von CHRISTIAN BARTELS, BREMENUND STEFFEN GRIMBERG, BERLIN

Der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber ruderte etwas mit den Armen, für einen ostentativen Moment schien ihm der Name nicht einfallen zu wollen. Dann wusste er ihn aber doch: Volker Lilienthal heißt der epd-Journalist, der die Schleichwerbe-Affäre um die ARD-Daily Soap „Marienhof“, produziert von der Anstalts-Tochter Bavaria, aufgedeckt hatte. Verantwortlich für die Abnahme von „Marienhof“ ist Grubers eigene Anstalt, der Bayerische Rundfunk.

Doch konkrete Konsequenzen lassen weiter auf sich warten. Dafür hat sich die ARD in anderen wichtigen Punkten nach monatelangen internen Diskussionen durchgerungen: Der Senderverbund will vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Eingriff der Ministerpräsidenten beim jüngsten Gebührenverfahren klagen. Und für die Verlegung der „Tagesthemen“ auf 22.15 Uhr ab 2006 werden die vorangehenden Sendungen – auch die sechs ARD-Politmagazine und das Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ gekürzt.

In Sachen Schleichwerbung heißt es dagegen warten: Bis die von den Wirtschaftsprüfern der KPMG gemeinsam mit der internen Revision des SWR angestellte Untersuchung der Affäre Anfang Juli abgeschlossen sein soll, hängt die ARD gern weiter der These an, dass vielleicht doch nur viele ahnungslos daran beteiligt waren. Zum Beispiel die „besonders Betroffenen“, die Redakteure, die die Folgen abgenommen hatten. Alle ahnungslos – bis auf den einen Schuldigen natürlich, der „das System des Zahlens und Bezahlens zusammenführte“ (Gruber) und Werbebotschaften verbotenerweise in die Drehbücher der Soap integrierte.

Bei der Bavaria, die mehrheitlich WDR, SWR und MDR gehört, wusste man außerdem schon seit 2003 vom Schleichwerbe-Verdacht und den laufenden Recherchen. Dass die Bavaria-Leitung ihre Gesellschafter entsprechend früh informiert hätte, „das hätten wir uns schon gewünscht“, musste Gruber konzedieren. Damit wenigstens die Senderverantwortlichen bald besser gerüstet sind, soll laut ARD-Programmdirektor Günter Struve künftig ein Beispielfilm die abnehmenden Redakteure schulen, das „teuflische, hinterhältige“ Themen-Placement herauszufiltern. Was der Lehrfilm inhaltlich genau zeigt, dazu mochte Struve dann doch nichts sagen, aber genügend Beispiele, an denen die ARD das Copyright hält, sind ja inzwischen aufgetaucht (siehe taz von gestern).

Beim Gang nach Karlsruhe geht es der ARD übrigens nicht ums Geld, sondern den „Grundwert der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Zukunft“. Die Ministerpräsidenten der Länder hatten die von der Gebührenkommission KEF für Januar vorgesehene Gebührenerhöhung für ARD und ZDF gekürzt und auf April verschoben. „Die schmerzhaften Einschnitte“ könnten nicht mehr rückgängig gemacht werden, so Gruber.

Doch auch parallel zur Verfassungsklage, an der sich das ZDF nicht beteiligen wird, muss viel geredet werden: mit den Ländern, um „Rechtssicherheit für die Zukunft herzustellen“ und die Klage dann vielleicht doch noch zurückzuziehen, mit dem ZDF und gewiss auch mit der Union. Deren Vorstoß, künftige Gebührenerhöhungen an die Lebenshaltungskosten zu koppeln „interessiert uns sehr“, sagte Gruber

Erwartungsgemäß durchgepeitscht wurde die Kürzung der Sendungen ab 21.45 Uhr Uhr. Sie soll den künftigen 22.15-Uhr-„Tagesthemen“ einen Teil der rund drei Millionen Deutschen zuführen, die schon in jener neuralgischen Viertelstunde vor 22.30 Uhr ins Bett gehen und daher „heute journal“ gucken. Insgesamt sei das aber kein Problem, so Programmdirektor Struve, schließlich zeige die ARD in Sachen Information und Politik „immer noch mehr als alle anderen Sender in westlichen Demokratien – oder das ZDF“.

Dennoch scheint auch die ARD zu merken, dass dies nicht überall ankommt und die Außenwirkung solcher Maßnahmen hier und da zu wünschen übrig lässt. Dies soll neben dem nie um Argumente verlegenen Struve nun ein Kommunikationsdirektor richten. 16 Bewerbungen für den Posten, über dessen genaue Ausstattung noch diskutiert wird, sind bereits eingegangen.