: Alle wollen schwul sein
Joschka Fischer, Peer Steinbrück, Guido Westerwelle: Viel Politprominenz gibt sich beim Kölner CSD die Klinke in die Hand – wegen der Bundestagswahl. Nur die CDU ist nicht so zahlreich vertreten
VON THOMAS SPOLERT
Die Niederlage von Rot-Grün bei der Landtagswahl erweist sich für den Kölner Christopher Street Day (CSD) als Glücksfall. Bis zu jenem historischen Wahltag im Mai hagelte es noch von allen Parteien Absagen: Interesse, auf der Abschlusskundgebung der CSD-Parade am Sonntag zu sprechen? Fehlanzeige! Der größte CSD in der Bundesrepublik ohne bundespolitische Prominenz? Eine Katastrophe bahnte sich an. Doch die Wende kam mit der überraschenden Ankündigung von Neuwahlen nach der NRW-Landtagswahl. „Danach drehte sich das Blatt“, berichtet Markus Danuser vom Kölner Lesben- und Schwulentag (KLuST) e.V., dem Organisator des CSD. „Plötzlich kamen die Parteien, die schon wortreich abgesagt hatten, wieder auf uns zu.“
Verwunderlich ist das nicht. Denn immer wenn Wahlen waren, standen die Politiker in den letzten Jahren beim Kölner CSD Schlange. Schließlich besuchen nirgendwo sonst in der Republik so viele Menschen eine politische Veranstaltung. Wie stark sich die Parteien dabei für Homorechte einsetzen, ist an ihrer Beteiligung am CSD ablesbar.
„Mit unserem Stand auf dem Straßenfest eröffnen wir den Bundestagswahlkampf“, kündigt Diana Siebert, Geschäftsführerin der Kölner Grünen, an. Dabei bekommt sie kräftige Unterstützung aus Berlin. Der grüne Bundesaußenminister Joschka Fischer spricht im Anschluss an die Parade zu den CSD-Besuchern. „Wir sind stolz darauf, dass der Außenminister den Kölner CSD besucht“, freut sich Markus Danuser vom KLuST. Und obwohl die Öko-Partei ausgerechnet an diesem Wochenende in Düsseldorf ihre Landesliste für die Bundestagswahl bestimmt, drängelt sich die grüne Polit-Prominenz auf dem Homo-Fest in der Domstadt.
„Wir sind nicht nur wegen der anstehenden Bundestagswahl hier“, betont der Kölner FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite das traditionelle Engagement seiner Partei. Doch natürlich kämpft auch die FDP wieder um Wählerstimmen. Anders als bei der Kommunalwahl setzen die Liberalen nicht auf rechtspopulistische Parolen. Diesmal sind wieder Bürgerrechte angesagt: „Mehr Freiheit. Mehr Vielfalt. Mehr Community“ lautete das Motto des CSD-Wagens der FDP. Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger redet auf der Abschlusskundgebung. FDP-Parteichef Guido Westerwelle will hingegen nur feiern.
„Wir wären auch ohne Neuwahlen gekommen“, versichert Wolfgang Radick. Der stellvertretende Landesvorsitzende der Lesben und Schwulen in der nordrhein-westfälischen SPD koordiniert alle CSD-Aktivitäten der Sozialdemokraten in Köln. Der Parade-Wagen der SPD sei schon lange vor der Ankündigung von Neuwahlen vom Willi-Brandt-Haus genehmigt worden. Während Kölns Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes (SPD) in Vertretung von Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) das Straßenfest am heutigen Freitag eröffnet, ist immer noch nicht klar, welcher SPD-Politiker auf der Abschlusskundgebung spricht. „Auf jeden Fall wird es ein Bundespolitiker sein“, verrät Radick. Derweil hat sich für den Backstage-Bereich sogar schon Ex-Ministerpräsident Peer Steinbrück angekündigt.
CDU-Politiker wird man dagegen eher mit der Lupe suchen müssen. Lothar Theodor Lemper, Fraktionsvize der Kölner CDU, zeigt immerhin Flagge auf der Abschlusskundgebung. Prominente Bundespolitiker der Union lassen sich in Köln jedoch nicht blicken. Selbst die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) sind dieses Jahr nicht mit einem Info-Stand vertreten. Der LSU-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen, Stefan Kwasniewski, hat dafür eine einleuchtende Begründung: „Uns fehlt das Personal.“