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Archiv-Artikel

Frechheit siegt!

FAN Der Darmstädter Ralf Wanka macht mit einem Caravan die Ukraine unsicher. Um am Stadion zu sein, ist Parken überall erlaubt

KIEW taz | „Normalno.“ Die Stewards mit den orangen Laibchen lächeln. Normalno, das heißt: okay. Dass es eben nicht normal heißt, ist in diesem Fall offenkundig. Denn normal ist nicht, was der Steward ganz okay findet. Er passt auf die Parkplätze vor dem Kiewer Olympiastadion auf, und auf die darf sich an Spieltagen während des Turniers niemand stellen. Nun steht da aber ein Auto, ein Caravan mit Frankfurter Kennzeichen. Es steht in der verbotenen Zone innerhalb des Sicherheitsgürtels, den hunderte Milizionäre bilden. „Frechheit siegt“, sagt Ralf Wanka. Er hat das Wohnmobil hier geparkt. Die Milizionäre, die keine 20 Meter von seinem Auto entfernt aufpassen, schauen. In ein paar Minuten beginnt das Spiel. Wanka sperrt das Wohnmobil ab.

England gegen Schweden. Die Karten hat er bei Ebay ersteigert. 80 Euro haben sie gezahlt und festgestellt, dass der Schwarzmarkt „total zusammengebrochen“ ist an diesem Tag. „Heute kriegst du die Karten geschenkt“, sagt Wanka und beginnt eine der Geschichten zu erzählen, die er seit 1990 gesammelt hat.

Seit der WM in Italien ist er zu jedem großen Turnier gefahren. Daher kennt er die Tickethändler. „Immer die Gleichen. Ich weiß nicht, wie die das machen, aber diese Gesichter kenne ich seit 20 Jahren.“ Zu dritt haben sie sich auf den Weg in die Ukraine gemacht. Die meisten Spiele der Deutschen sehen sie sich an und noch ein paar andere. Auch die Tickets fürs Halbfinale in Warschau haben sie schon.

Jetzt sind sie zu Hause in Darmstadt, wo Wanka die Lilienschänke betreibt, das Sportkasino am Stadion von Darmstadt 98. Wanka lebt nicht nur für den Fußball, er lebt auch von ihm.

Beim Zwischenstopp hat er sicher schon die ersten Geschichten aus der Ukraine erzählt, richtiggestellt, was alles nicht gestimmt hat in den Berichten vor der EM. „Schlauch durchs Fenster, alle betäuben und ausrauben. So ein Quatsch“, sagt der 44-Jährige. Nur gute Erfahrungen habe er gemacht. Schon bei der Einreise. Fast keine Wartezeit.

Noch so ein Quatsch: Wanka hat in seinem Reiseführer gelesen, dass er für seinen Leih-Caravan eine notariell beglaubigte Einverständniserklärung des Besitzers in ukrainischer Sprache gebraucht hätte. Er hat sie nicht, er hat sie auch nicht gebraucht. Einfach losfahren und fertig.

Für Wanka ist die Ukraine ein Superland – so wie es stets super war, wenn er sich auf den Weg gemacht hat. Einmal ist er zu schnell gefahren. Die Verkehrspolizei hat ihn gestoppt. „300 Hriwna wollten die oder 100 ohne Quittung.“ Er hat die billigere Variante gewählt. 10 Euro.

Wanka sagt, dass er mit jedem auskommt. Die Stewards kriegen was vom Frühstück ab. Und alle seien heiß auf Mitbringsel mit aufgedruckten deutschen Farben. Einen Stapel Deutschlandbecher hatten sie dabei – alle weg. Hat sich gelohnt. Die guten Parkplätze wird er so schnell nicht vergessen. In Charkow, sagt er, hätten sie noch näher am Stadion gestanden. Frechheit siegt.

ANDREAS RÜTTENAUER