DOROTHEA HAHN ÜBER MIGRATION UND WAHLKAMPF IN DEN USA : Die neue Lobby der Illegalen
Auf den ersten Blick sieht es aus, als hätte das Oberste Gericht in Washington eine salomonische Entscheidung über das Einwanderungsgesetz SB 1070 aus Arizona gefällt: Sowohl der Demokrat Barack Obama ist „zufrieden“ als auch die republikanische Gouverneurin Jan Brewer. Sie spricht von einem „Sieg“.
Auch wenn es einige kleine Verbesserungen gibt, insgesamt gilt: Die Andersbehandlung von Menschen, die durch Hautfarbe, Sprache und Kleidung „verdächtig“ sind, wurde als verfassungskonform bestätigt. Die in Paragrafen gegossene Schikane gegen Einwanderer hat so den Segen des Obersten Gerichts bekommen, dessen Richter mehrheitlich mit den Republikanern sympathisieren. Doch mit der Entscheidung vom Montag liefert das Gericht zugleich ein weiteres Argument für eine dringend nötige nationale Einwanderungsreform – und das dürfte eher der demokratischen Seite nutzen.
Heute leben mehr als elf Millionen Menschen ohne Papiere in den USA. Die meisten sind Latinos. Als Papierlose sind sie nicht wahlberechtigt. Aber sie haben eine Lobby: die schnell wachsende Minderheit von wahlberechtigten Latinos, von denen rund 50 Millionen in den USA leben. Ohne ihre Stimmen kann niemand mehr Präsident werden.
Gesetze wie SB 1070 – aber auch die rekordhohe Zahl der Abschiebungen unter Präsident Obama – haben den Latinos das Leben schwer gemacht. Doch zugleich wurden damit Anlässe geschaffen, dass sie sich organisieren und eigene Forderungen stellen. Darunter solche nach einer Einwanderungspolitik, die legale Brücken für die „Illegalen“ baut. Dabei ist, nicht zuletzt in Arizona, eine selbstbewusster werdende Gemeinschaft entstanden, die weiß, dass die Zeit zu ihren Gunsten arbeitet. Und die jetzt im Wahlkampf Themen setzen kann.
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