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Autodidakten-Revolution. Oder Marketingtrick?

Als Dale Stephens das UnCollege gründete, wollte er einen komplett neuen Bildungsweg etablieren. Die Vision: Sich selbst bilden statt sich ausbilden zu lassen

VON JOANNA PAPAZOGLOU

Dale Stephens ist 20 und bereits Chef des UnCollege, einer Plattform für Autodidakten. Was ihn von anderen 20-Jährigen unterscheidet? Er findet Hochschulbildung überflüssig. Er selbst ist allerdings kein unambitionierter Bildungswegwerfer, sondern ein auffällig zielstrebiger Unternehmer. UnCollege steht für Bildung durch erworbene Lebenserfahrung.

Als einer der 24 „Thiel-Stipendiaten“ bekam Dale Stephens 100.000 Dollar in die Hand, ein Stipendium, das junge Talente mit vielversprechenden Businessplänen belohnt. So gründete Stephens das UnCollege. Dahinter steht der Gedanke, Schülern zu vermitteln, dass man kein College besuchen muss, um Erfolg zu haben. Was steht aber auf seiner To-do-Liste für angehende Jünger des UnCollege? Wichtig ist, ein Projekt zu beginnen, eine Webseite zu eröffnen oder ein Unternehmen zu gründen. Die Schlagworte: Geld und Zeit sparen, um sich selbst zu unterrichten. So sei das bei ihm auch gewesen, sagt er: Als er elf war, meldeten ihn seine Eltern von der Schule ab und unterrichteten ihn zu Hause.

Er wird als begehrter Referent und Bildungsvisionär gehandelt: Die Universitäten Paris XI, Stanford und St. Gallen oder auch das Ideenforum TEDX haben ihn schon eingeladen. Unter anderem in den ABC News, dem New York Magazine oder auf Forbes trat er bereits in Erscheinung. Sein erstes Buch schrieb er über das Thema „Kosten für die Universität – wie man seine eigene Ausbildung gestaltet“. Es scheint, als wolle er eine einzigartige Perspektive für die Zukunft der Ausbildung, des Talents und der Innovation schaffen.

Hinter Stephens Projekt steht folgende Überlegung: Amerika sowie zunehmend auch Europa befinden sich in einer Rezession. Studiengebühren belaufen sich im Durchschnitt auf etwa 24.000 Dollar. Mehr als ein Viertel der jungen Absolventen unter 25 fänden nach dem Studium keinen Job, argumentiert Stephens. Fast ebenso viele arbeiteten später in Jobs, für die man keinen Hochschulabschluss bräuchte.

„Es wird behauptet, Bildung sei eine Einbahnstraße. Ich würde sie eher als Sackgasse sehen. Sobald man einmal drin ist, kommt man nicht mehr raus“, sagt er.

Getreu dem Motto „Man zahlt zu viel und kriegt zu wenig“ bietet Stephens UnCollege Hilfe im kreativen „Hacking“ an. Auf seiner Webseite sind Tipps, Artikel und Meinungen von erfolgreichen Studienabbrechern zu finden. Dazu noch Buchempfehlungen.

Stephens sagt über sich, er sei kein Berater. Dennoch berate er, weil er mit Dingen anders umgehe. Weil er etwas schaffe. Unter der Internetadresse UnCollege.org sind auch T-Shirts mit dem entsprechenden Logo zu erwerben. Für nur 20 Dollar das Stück. Außer ihn selbst kann man sogar seine Mutter für telefonische Beratungsgespräche buchen. Gegen Vorauszahlung, versteht sich. Die Preise liegen zwischen 95 und 300 Dollar.

Das erste „Hackademic Camp“ findet in San Fransisco vom 30. Juli bis 4. August statt. Zehn junge Köpfe sind dazu eingeladen, eine Woche mit prominenten Gästen zu verbringen, Vorlesungen, Exkursionen und Netzwerk-Abendessen zu besuchen. Teilnahmegebühr: 600 Dollar.

Ist das UnCollege nun eine veritable Bildungsrevolution? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es noch nicht. Erst die Zeit wird zeigen, ob das UnCollege seinem Credo treu bleibt oder sich zu einer profitgierigen Firma entwickelt, was die Marketingstrategie momentan noch vermuten lässt.

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