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Archiv-Artikel

Einvernehmliche Zwangsräumung

In zwei Jahren werden die Krause-Blocks in Tenever abgerissen, die Gewoba will die Wohnsilos durch Reihenhäuser ersetzen. Die MieterInnen erfahren das aus der Zeitung. Während die Älteren unter ihnen trauern, sind die Jugendlichen ganz froh

Bremen taz ■ Das Schlafzimmer von Elwira Mantik ist frisch gestrichen. Rosa, mit weißer Blumenbordüre. Wanduhr, Kerzen und Kissen sind farblich passend abgestimmt, sogar der Flakon des „Sunset“ von Naomi Campbell schimmert zartrosa. Am Fenster stehen zwei Geranien und riechen nach Plastik.

Vor dem Hochhaus an der Neuwieder Straße 46 blüht der Raps. Wo im vergangenen Jahr noch die 230 Wohnungen des Keßler-Blocks prangten, wirbt heute die Gewoba auf Litfaßsäulen mit Bildern von blühenden Landschaften. Am Montag ersteigerte die Wohnungsbaugesellschaft auch die Krause-Blocks in Tenever, für 1,12 Millionen Euro.

Ursprünglich sollten die Hochhäuser von der Eurohypo AG an den in Geesthacht lebenden türkischen Investor Mehmet Bingöl gehen. „Wir haben das erst fünf Sekunden vor zwölf an uns gerissen“, berichtet Ralf Schumann, Geschäftsführer der Osterholz-Tenever-Grundstücksgesellschaft (OTG). Die OTG gehört zur einen Hälfte der Gewoba, zur anderen der Bremer Investitionsgesellschaft. Die neue Eigentümerin hat bereits klare Vorstellungen von der Zukunft der Wohnsilos: In zwei Jahren werden sie abgerissen.

Elwira Mantik hat davon erst aus der Zeitung erfahren. „Das ist schon schlimm“, sagt die 49-jährige Hausfrau und zuckt mit den Schultern: „Wo sollen wir denn jetzt nur hin?“ Seit über zehn Jahren wohnt sie hier mit Mann und Tochter Nathalie. An der Vier-Zimmer-Wohnung weiß sie wenig auszusetzen. Der Schimmel an den Wänden ist mittlerweile entfernt, auch das Dach leckt nicht mehr.

Nur die Jugendlichen aus dem Treppenhaus stören. „Die sitzen immer nur rum und rauchen alles mögliche.“ Und machen Dreck. Zwar sei die Wohnung mit rund 625 Euro Miete zu teuer – „doch wir sind zufrieden.“ Und seit ein Nachbar verschwand, ein anderer ermordet wurde, sei es auf der Etage auch viel ruhiger geworden. „Eigentlich ist das ganz schön.“

Der Tote sei Alkoholiker gewesen, erzählt Elwira Mantik, und vom 44. Stock eines Hochhauses gestürzt worden. Heute ist seine Wohnung von der Polizei versiegelt, die laute Musik nebenan ist verstummt.

„Die Häuser sind ziemlich heruntergekommen“, findet Schumann. Rund 70 der 110 Wohnungen sind noch bewohnt, in einigen Häusern ist schon jedes dritte Klingelschild leer. Die verbliebenen MieterInnen werden von der Gewoba bis 2007 umgesiedelt – „einvernehmlich“, wie Schumann betont. „Wenn man den Leuten ein Angebot macht, sitzen sie meistens schon morgen auf gepackten Koffern.“

Serwah Wienekamp nicht. Seit 1999 wohnt die Ghanaerin in Bremen, viermal ist sie seither umgezogen. Die stämmige Frau in dem jeansblauen Hauskleid verzieht die Miene, als sie erfährt, dass auch ihre Wohnung der Abrissbirne zum Opfer fällt.

„Ich habe keine Lust mehr, schon wieder hier wegzugehen.“ Ein trauriger Blick huscht über Wienekamps Augen, während daneben drei Kinder ballspielend um die schwarzen Sofas wuseln. Sie habe sich hier wohl gefühlt, sagt die 41-Jährige.

Rund ein halbe Million wird der Abriss der Krause-Blocks kosten, schätzt OTG-Chef Schumann. Später sollen hier einmal Reihenhäuser entstehen, sagt er. Auch die etwas weiter südlich gelegenen Wohnblocks werden dafür weichen müssen, zu groß das Angebot an Plattenbauten in Tenever. Schon im August wird die Otto-Brenner-Allee 50-56 dem Erdboden gleich gemacht.

Im Gegenzug dafür verspricht die Gewoba die Sanierung von 450 Wohnungen an der Wormser- und Kaiserslauterner Straße. „Noch in diesem Monat“ erwartet Schumann dafür grünes Licht von Bausenator Jens Eckhoff (CDU). Die Arbeiten sind begonnen, liegen aber derzeit auf Eis.

Nathalie Mantik ist der Gewoba eigentlich ganz dankbar. Schließlich ist die Gelegenheit günstig, gerade jetzt von zu Hause auszuziehen. Ihr Cousin Eugen sieht das genauso. Zwölf Jahre lang lebt er schon in diesem Haus. Dass es jetzt abgerissen wird, rührt den 19-Jährigen nicht. „Das ist nicht schlimm. Ich wollte sowieso hier raus.“

Jan Zier