: Jukebox
Nischenmusik aus den Achtzigerjahren
The Chills aus Neuseeland gehörten immer zu den Bands, deren Fans als Menschen beschrieben wurden, die keine schlechten Menschen sein können. Zu schön die Songs, zu melodiös, zu melancholisch heiter. Schaut man sich an, was aus den Chills geworden ist, oder besser: aus Martin Phillipps, ihrem einzigen festen Mitglied, kann man gleichfalls nur sagen: The Chills alias Martin Phillipps waren zu gut für diese Welt und für die Musikindustrie sowieso.
Als sie Mitte der Achtzigerjahre bekannt wurden, hatten sie schon mindestens acht „Bandphasen“ hinter sich und waren nur mehr ein irrlichterndes Bandprojekt. Ein paar Jahre später erhielten die Chills einen Sieben-Jahres-Plattenvertrag bei einem Major, der ihnen aber kein Glück brachte und sie lediglich zwei quälerisch-grüblerische Alben produzieren ließ. Inzwischen, so hört man, führt Martin Phillipps ein Kleinstkriminellendasein auf Neuseeland. Immerhin bringt ihn auch das zumindest in die lokalen Nachrichten.
Viel zu gut für die Welt: „Brave Words“ aus dem Jahr 1987, das erste richtige Chills-Album, klingt heute noch so. Es ist gewissermaßen zeitlos und hat praktisch keinen Ausfaller. Trotzdem konnte dieser Indie-Pop nur damals gemacht werden: „Brave Words“ ist Achtzigerjahremusik, die sich für kein Revival eignet. Und es ist Nischenmusik im Schatten der globalen atomaren Bedrohung. Musik, die ein kleines Glück versprach, die anders war als die der Bots oder von BAP, aber dasselbe wollte: Lebe bewusster, lebe freier, vor allem aber: Lebe! Angst hin oder her.
Dass nach 1989 alles anders und viel schwieriger wurde und wir heute noch dabei sind herauszufinden, in was für einer Zeit wir leben, das konnten The Chills naturgemäß nicht wissen. Platten wie „Brave Words“ werden heute nicht mehr produziert, und wenn, bedienen sie einen Markt, dessen Nische noch mal kleiner ist als ehedem.
GERRIT BARTELS