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Archiv-Artikel

Bis zur Fusion mit Springer „business as usual“

Zuschauer ans Telefon: Weil mit klassischer TV-Werbung nichts mehr zu holen ist, setzt ProSiebenSat.1 auf 9Live

BERLIN taz ■ Die Braut macht sich hübsch: Vor der geplanten Fusion mit der Axel Springer AG präsentierte die ProSiebenSat.1 Media AG gestern stolz „erfolgreiche“ Halbjahreszahlen inklusive einem um 40 Prozent auf 164,3 Millionen Euro gestiegen Ergebnis vor Steuern. Doch hierfür ist vor allem das Finanzergebnis verantwortlich: Das eigentliche Kerngeschäfte namens werbefinanziertes Fernsehen lahmt.

Der Umsatz stieg um gerade mal 0,6 Prozent auf knapp 939 Millionen Euro. Vom „unerwartet schwierigen Werbemarkt“ im ersten Halbjahr 2005 sprach denn auch AG-Vorstand Guillaume de Posch. Seine Prognose bleibt auch für den Rest des Jahres düster: Um bis zu 2 Prozent werde die TV-Werbung netto verlieren – die kurze Erholung des Jahres 2004, als erstmals seit 2001 wieder ein leichtes Plus verzeichnet wurde, ist dahin. ProSieben bleibt aber der profitabelste Sender der TV-Familie – allerdings auch nur, weil er überwiegend im Vergleich zu teuren Eigenproduktionen kostengünstige Lizenzware made in USA ausstrahlt.

Zur geplanten Fusion mit Springer, die die Aufsichtsbehörden bis Dezember prüfen, nur so viel: Man freue sich auf „diversifizierte Erlösquellen“ und die „exzellente strategische Positionierung“ des neuen Konzerns. Ansonsten, so Finanzvorstand Lothar Lanz, herrsche bei ProSiebenSat.1 „Business as usual“. Erst wenn Kartellamt und Konzentrationsaufsicht den Deal im Dezember abgesegnet hätten, „werden wir uns um die Fusion kümmern“. Und die vielerorts befürchteten crossmedialen Synergieeffekte zwischen Europas größtem Zeitungshaus (Bild, Hörzu) und der TV-Familie gibt es ja sowieso nicht: Er rechne „mit fast keinen Synergien in diesem Bereich“, stapelte de Posch tief. Ohnehin werde sich der „Verschmelzungsprozess“ bis in den Sommer 2006 hinziehen.

Verdienen will die AG bis dahin vor allem am Telefonieren: Der Anrufsender 9Live gehört mit seiner Muttergesellschaft Euvia Media seit Juni komplett zu ProSiebenSat.1. Und seine Wachstumsraten sind weiter zweistellig. Nur rund 8 Prozent ihres Umsatzes macht die AG derzeit abseits der klassischen TV-Werbung – mindestens 10 sollen es jetzt ganz schnell werden. Konkurrent RTL hatte schon 2004 mindestens 15 Prozent als Ziel vorgegeben.

Weil auch das nicht reichen wird, um den weiter stagnierenden Werbemarkt auszugleichen, bleibt der Kostendruck auf die Free-TV-Programme weiter enorm: Für 2005 hatte die AG insgesamt 30 Millionen Euro als Sparziel vorgegeben, davon 80 Prozent im Programm. Immerhin die Quoten haben sich im zweiten Quartal 2005 erholt. Jetzt werde man weiter alles daran setzen, hier RTL zu überholen, sagte de Posch: „Mal sehen, was aus Köln kommt.“

STEFFEN GRIMBERG