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Archiv-Artikel

Der Zwiebel-Look ist out

Tausendundeine Art, den Schleier zu tragen: Die Ausstellung „Arabische Welten – Modewelten“ in der ifa-Galerie zeigt Entwürfe von Designern und Künstlern aus Beirut, Casablanca oder Kuwait. Dabei sind figurbetonte Schnitte sehr willkommen

von JAN KEDVES

Wenn es in den letzten Jahren um das Modegeschäft in der arabischen Welt ging, dann meist im Zusammenhang mit dem Niedergang der Pariser Haute-Couture-Häuser. So war zu lesen, dass die Geschäfte der Luxusschneider nur noch im Mittleren Osten bestens laufen, ja, dass verschleierte Kundinnen dort die gewagtesten Entwürfe abnehmen. Wie das zusammenpasst, konnte man sich allerdings nie richtig vorstellen.

Der europäische Blick auf arabische Bekleidungspraktiken ist eben doch einigermaßen verbaut – von Vorurteilen, der Kopftuchdebatte und allerlei Tausendundeiner-Nacht-Klischees. So befand zumindest die ifa-Galerie, dass es an der Zeit sei, mit „Arabische Welten – Modewelten“ eine Ausstellung zu konzipieren, die Beirut, Casablanca und Kuwait als Modezentren vorstellt – und dabei den Einflüssen nachspürt, die europäische Mode aus Paris oder Mailand auf sie hat. Während der begleitende Katalog darüber informiert, dass sich Mode ihre Wege selbst im restriktivsten Klima bahnt – in Afghanistan setzt sich bei der Burka Blau als neue Trendfarbe durch –, steht man schon staunend vor einer Reihe von Kaftanen, die ihre Farben in einem Bollywood-Streifen abgeholt zu haben scheinen. Mohamed Lakhdar, ein Couturier aus Casablanca, der in Paris Modedesign studiert hat, kombiniert prächtige Technicolor-Stickereien mit Schnitten, die in Abweichung von der klassischen Kaftan-Silhouette Taille und Busen der Trägerin betonen. Ganz traditionell ist bei ihm allerdings wieder die Art der Knöpfung: 150 gestickte Kügelchen vom Hals herab bis zum Knöchel. Da wird das Ausziehen tatsächlich zur Kunst.

Einen Schritt weiter geht Khaled al-Masri aus Beirut, der seine Kollektionen seit drei Jahren auch auf der Pariser Modewoche zeigt. Er durchbricht den gängigen Zwiebel-Look arabischer Frauen, um hier und da eine entblößte Brust oder ein Stück Rücken zu zeigen, das kokett unter einem hoch geschlitzten Mantel hervorblitzt. Entwürfe, die nur für eine ausgewählte Öffentlichkeit gedacht sind, sprich: von den Kundinnen nicht auf der Straße getragen werden.

In der ifa-Galerie bemüht man sich zu betonen, dass „Verhüllung“ bisweilen doch zu schnell mit „Unterdrückung“ gleichgesetzt wird und dass sich unter einem Schleier keineswegs automatisch eine graue Maus verbergen muss. Aus rein modischer Sicht müsste ohnehin für eine Popularisierung von Schleiern plädiert werden – stellen sie doch ein Feld dar, auf dem Designer sich zusätzlich austoben könnten.

Genau dies tut dann Majida Khattari, eine in Paris lebende Marokkanerin. Zwar ist sie keine Designerin, sondern Künstlerin, doch nimmt sie sich der Verschleierungsthematik auf ironische Weise an: „VIP“ („Verschleierung Islamisch-Pariserisch“) nennt sie ihr Konzept, einen Tschador oder Schleier auf tausendundeine individuelle Art zu tragen. Mal so eng am Körper anliegend, dass er eigentlich mehr verrät als verbirgt, mal kombiniert mit einer Ledermaske, die ein bisschen an Hannibal Lecters Mundschutz erinnert. Auch der klassische Louis-Vuitton-Print, durch Fakes aus Bangkok und Berlin-Mitte ohnehin längst zur Parodie von Luxus mutiert, ist vor Khattari nicht sicher, sie mogelt ihm hier und da noch ein paar Halbmonde unter.

Das ist ein Ansatz, arabische Tradition mit europäischer Mode zu verquicken, der doch ein wenig sympathischer erscheint als beispielsweise der von Prada. Denn in Kuwait verkauft die Marke bisweilen tatsächlich Kaftans, ganz ohne Fake. Natürlich kann auch Khattari das komplexe Thema der Verschleierung nicht gänzlich ergründen. Am Ende der Ausstellung kitzelt aber vor allem noch eine ganz andere Frage auf den Lippen, die sich die Organisatoren scheinbar gar nicht gestellt haben: Wie steht es eigentlich um die arabische Männermode?

„Arabische Welten – Modewelten“, bis 9. 10., Di. bis So. 14–19 Uhr, ifa-Galerie, Linienstraße 139/140