: Überall Blondinen und Aschblondinen
Jan Feddersens Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Nola’s am Weinberg ist ein bezauberndes Lokal in einer sehr deutschen Gegend
Die Gegend hat ja etwas Befremdliches, ist man Bilder aus Neukölln oder Kreuzberg oder Schöneberg gewohnt. Der Kiez rund um den Rosenthaler Platz zeichnet sich durch eine gewisse ethnische Eintönigkeit aus.
Überall Blondes und Aschblondes – auch rund um den Weinbergspark, wo die Gegend um den südlichen Prenzlberg familiär sehr stark ist. Kinder tollen umher, Mütter sind am Mahnen und Sagen, Väter schieben Kinderwagen oder tragen die Gören, als seien es empfindsame Gepäckstücke. Seltsam: Deutschland wird immer mediterraner – und dieser Kiez wirkt deutscher als irgendwo sonst in Berlin.
Das ist auch im Nola’s so, in der DDR einst ein Lebensmittelladen, etwas über dem Park erhöht gelegen. Von der Terrasse sieht er aus wie ein metropoler Dschungel. Müsste mal gepflegt werden, denkt man, der Rasen fleckig, manche Stellen bräuchten grüne Flicken. Aber der Rosenthaler-Kiez-Gänger erwartet ohnehin keine Perfektion.
Die kann er freilich in jenem Restaurant erwarten. Das Nola’s bietet gerade am Sonntag sein Allerbestes, und das ist das Frühstück. Es ist reichhaltig am Buffet aufgebaut – man braucht nur zuzuschlagen. Hin und wieder muss man sich durch Kinderhorden schlagen, Sprösslinge, um die man sich hin und wieder Sorgen machen muss, so brav wirken sie. Sie sagen: „Sie waren vor mir dran“ (bei den Brötchen) oder „Ich warte gern“ (in der Saftecke). Sie können auch mit den Warmtöpfen umgehen, mit schweren Deckeln, unter denen Rührei und Würstchen liegen.
Kinder können, das lernt man im Nola’s, unfassbar selbstständig und früh erwachsen sein. Sie heißen, einer zufälligen Hörprobe nach, vor allem: Karl, Anna, Jasper, Tine und Stefanie; auch Ben und Sandrine wurden aufgerufen.
Vier Leute auf einmal aber guckten auf, als eine Mutter ihre Kinder rief: „Kevin“ war ihr erster Ruf, „Ivonne“ der zweite. Als ob wir diese Nomen gemeinsam für unpassend gehalten haben: Was ja im Kontrast steht zum Ideal jener kleinen Welt am Weinbergspark – das von Weltoffenheit und Vorurteilsfreiheit.
Die Bedienung an diesem Sonntag war von lockerster Freundlichkeit; der Kaffee wurde schnell gereicht, andere Wünsche (Pfeffermühle!) gern erhört und erfüllt. Alles schmeckt übrigens auf diese seltsam-herzhafte Art alpenländisch gut. Als ob eine Küche, die sich österreichisch grundiert versteht, das gemeinsame Erbe Europas aufgenommen hat und es fein und neu rekreiert. Das Nola’s ist ein bezauberndes Lokal. Nehmen Sie gern Ihren Nachwuchs mit. Er darf auch Margot, Werner, Ingeborg oder Horst heißen: Es wären Originale in dieser Szene.
NOLA’S AM WEINBERG, Veteranenstr. 9, 10119 Berlin, Fon 44 04 07 66, täglich von 10 bis 2 Uhr, www.nola.de. Die Preise variieren; das Frühstück am Sonntag ist nichts für Hartz-IV-Empfänger, aber allenthalben für Menschen in pädagogischen Berufen