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Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE ZUM RÜCKTRITT VON JULIA SCHRAMM Piraten, entscheidet euch!

Die Piraten-Mitglieder beleidigen jeden, der die inhaltliche Leere füllen will

Warum ist es bedeutsam, wenn Beisitzer im Bundesvorstand einer Partei zurücktreten? Weil es sich dabei um die Piraten handelt und auch um Julia Schramm. Denn in der jungen Partei bestimmen bislang nicht Ämter und Strukturen, wer etwas zu sagen hat. Sondern wer es versteht, sich abseits interner Beschimpfungskanäle öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Der 27-Jährigen ist das immer wieder gelungen. Ihr Rückzug könnte deshalb den Beginn einer neuen Phase der Piraten-Geschichte markieren.

Die Partei ist erschöpft. Sie hat sich im Kampf mit sich selbst aufgerieben. In sechs Jahren hat sie kein nennenswertes Profil erarbeitet. Aber ihre Mitglieder beleidigen jeden, der die inhaltliche Leere füllen will. Ihr Parteichef versieht seine Arbeit nach Feierabend. Aber 2013 will die Truppe in den Bundestag einziehen. Schramms Rückzug zeigt, dass es so nicht weitergehen kann.

Den Piraten fehlen Strukturen. Wollen sie Bewegung oder Partei sein? Behält jeder Pirat stets denselben Einfluss, oder sollen Einzelne Meinungen repräsentieren dürfen? Niemand wagt, diese Fragen zu entscheiden. Die Führung verharrt in einer Angststarre. Ausgerechnet jene, die sich als besonders basisdemokratisch verstehen, verachten das Werkzeug jeder Demokratie, nämlich Mehrheitsentscheidungen. Das Vakuum füllen öffentlichkeitssuchende Einzelne wie Christopher Lauer, Johannes Ponader – und Schramm.

Aber auch die Autorin des Buchs „Klick mich“ steht nicht für Inhalte, sondern für gute Selbstvermarktung. Schramm zeichnet sich durch die Geschwindigkeit aus, mit der sie ihre Positionen umkehrt. Der Rückzug ihres Beisitzerkollegen Matthias Schrade offenbart die Frustration unter den politischen Handwerkern in der Partei. Im besten Fall führt ihr Rücktritt zur Einsicht, dass sich die Piraten erneuern müssen.

Ende November wollen sie sich auf einem Parteitag ein Programm geben. Bis zur Bundestagswahl blieben ihnen zehn Monate, um zu zeigen, dass sie mehr sind als der Lärm, den sie produzieren. Schramms Rücktritt wäre dann nicht das Fanal des Endes, sondern eines neuen Anfangs.