: … und gebar eine Maus
Der UNO-Reformgipfel wird gerade bei den Beschlüssen zur Armutsbekämpfung weit hinter den Vorschlägen von Generalsekretär Annan zurückbleiben
AUS NEW YORKANDREAS ZUMACH
Eine durchgreifende Reform der UNO, die die Handlungsfähigkeit der Weltorganisation bei der Bewältigung der wichtigsten globalen Probleme stärken würde, ist nicht in Sicht. Ebenso wenig wie die Umsetzung der vor fünf Jahren beschlossenen Millenniumsziele zur Halbierung der weltweiten Armut bis 2015.
Die Abschlusserklärung, mit der die Staats- und Regierungschefs der 191 UNO-Mitgliedstaaten ihren heute in New York beginnenden Reformgipfel übermorgen beenden werden, bleibt in wesentlichen Punkten weit hinter den Vorschlägen und Empfehlungen zurück, die Generalsekretär Kofi Annan der Generalversammlung im März vorgelegt hatte unter dem Titel „In größerer Freiheit: Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten für alle“. Damit ist die Strategie der Bush-Administration aufgegangen, die nur an Vereinbarungen zur Terrorismusbekämpfung und zur Managementreform in der New Yorker UNO-Zentrale interessiert war, aber verbindliche Verpflichtungen zur Armutsbekämpfung, mehr Entwicklungshilfe, nuklearer Abrüstung und Rüstungskontrolle, Klima- und Umweltschutz vermeiden wollte.
In der Nacht zum Dienstag einigte sich eine vom Präsidenten der Generalversammlung, Jean Ping (Gabun), einberufene Kerngruppe von 30 der 191 UNO-Staaten nach über zweiwöchiger Krisenverhandlung auf den Text der Abschlusserklärung. Zwar hatte Ping bereits Anfang August nach mehrmonatigen Konsultationen mit allen Mitgliedstaaten einen Entwurf vorgelegt, der die ursprünglichen Vorschläge des Generalsekretärs vom März noch zu gut 90 Prozent enthielt. Doch gegen Pings 39-seitigen Textentwurf legte US-Botschafter John Bolton am 22. August eine Liste mit 750 Streich-und Änderungsvorschlägen vor. Unter anderem forderte die Bush-Administration, jegliche Erwähnung der Millenniumsziele zur Armutsbekämpfung zu streichen, zu denen sich die USA angeblich „niemals verpflichtet hätten“. Zwar wäre ein Mehrheitsvotum des Gipfels für Pings Entwurf laut UNO-Bestimmungen möglich gewesen und hätte wohl eine überwältigende Mehrheit von über 170 Staaten erbracht. Doch im Bemühen um Konsens mit den USA plädierte insbesondere die EU für erneute Verhandlungen.
Ermuntert durch den Frontalangriff des mächtigsten UNO-Mitgliedes auf das Reformpaket des Generalsekretärs brachten daraufhin auch andere Staaten – unter anderen Kuba,Venezuela, Russland, China und Ägypten – ihre früher geäußerten Bedenken erneut vor. Die Verhandlungen gerieten zu einem taktischen Geschachere mit Themen, die sachlich nichts miteinander zu tun haben. In den letzten Verhandlungstagen standen dabei insbesondere die Forderungen der Länder des Südens nach verbindlichen Verpflichtungen des Nordens zur Armutsbekämpfung gegen das – auch von Annan unterstützte – Verlangen Washingtons nach einer weitreichenden Managementreform in der New Yorker UNO-Zentrale und einer Stärkung der Rolle und Kompetenzen des Generalsekretärs. Diese Vorschläge könnten zu einer „Schwächung der Generalversammlung“ führen, wandten Ägypten, Indien und andere einflussreiche UNO-Staaten ein.
Der jetzt vorliegende Kompromisstext ist in beiden Fragen unbefriedigend. Zwar ließen die USA eine weitgehend unverbindliche Erwähnung der Millenniumsziele nun doch zu – aber ohne eine konkrete Verpflichtung auf ihre Umsetzung. Dieselbe Verwässerung erfolgte bei den konkreten, zum Teil mit Zeitplänen verbundenen Verpflichtungen der Industriestaaten zur Armutsbekämpfung, die Annan ursprünglich vorgeschlagen hatte. Das sind etwa die Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts bis 2015, der Abbau der Agrarsubventionen, mehr Schuldenerlass und ein verbesserter Marktzugang für die 48 ärmsten Länder der Erde. Die Formulierungen der Gipfelerklärung zu diesen Fragen bleiben teilweise sogar noch hinter den Beschlüssen von Monterrey zurück. Zugleich bleiben die Kompromissformulierungen zur Managementreform bei der UNO hinter den Anforderungen zurück, die spätestens mit dem Skandal um das Programm „Öl für Nahrungsmittel“ deutlich wurden.
Der von Annan vorgeschlagene Menschenrechtsrat soll zwar geschaffen werden und die bisherige allseits kritisierte Kommission ersetzen. Die Kriterien für die Mitgliedschaft in dem Rat und das Verfahren zur Wahl seiner Mitglieder bleiben aber ungeklärt. Kompromisse, die deutlich hinter den Vorschlägen Annans zurückbleiben, enthält die Erklärung auch bei den Themen Terrorismus, „Verantwortung zum Schutz vor Völkermord“ und anderen schweren Menschenrechtsverbrechen sowie Rüstungskontrolle und Abrüstung.