Parteien können nicht lachen

Die meisten Wahlplakate sind blass und austauschbar. Durch die Verfremdung Unbekannter bekommen sie Aufmerksamkeit. Den Parteien gefällt das dennoch nicht

„Warum küsst Angela keine Frau?“ steht auf dem Plakat. Die Kanzlerkandidatin lächelt in der Karl-Marx-Allee, auf ihrer Oberlippe klebt ein Damenbart. Die CDU-Spitzenpolitikerin auf Papier muss wie ihre Konkurrenten „Verfremdungen“ des Wahlvolks ertragen. „Gerhard Schröder werden immer die Haare schwarz gefärbt und Angela Merkel die Haare toupiert“, sagt Polizeisprecher Bernhardt Schodorowski. Vandalismus sei bei Wahlplakaten an der Tagesordnung. Die Parteien rechnen immer mit 10 Prozent Schwund, Beschädigung durch Beschmieren oder Aufkleben.

Dabei könnten sich die Wahlkämpfer eigentlich über die kreative Bearbeitung ihrer Plakate freuen – denn dann guckt wenigstens mal jemand hin. Nach Angaben des Düsseldorfer Marktforschungsinstituts Innofact ist die Aufmerksamkeit der Bürger für Wahlplakate sehr gering. 77 Prozent der von Innofact Befragten hätten gar die Ansicht vertreten, dass sich die Parteien die Plakate komplett sparen könnten. Ein Plakat am Nollendorfplatz hingegen weckt Neugier. „Ja! Zu Hartz IV!“ hat dort jemand auf eine Werbung der Grünen geklebt. Davor bleiben immer wieder Passanten stehen, manche lachen.

Die Parteien sind nicht glücklich über diesen Aufmerksamkeitserfolg. „Das ist eindeutig Sachbeschädigung“, sagt Almuth Tharan, Landesvorsitzende der Grünen. Zwar räumt sie ein, das es durchaus witzige Veränderungen gebe. Der Spaß höre aber spätestens dann auf, wenn die großen Aufsteller der Parteien für kommerzielle Werbung genutzt würden. „Besonders die vom Künstler Seyfried gestalteten Plakate haben es den Wählern angetan, deshalb wurden dort auch schon viele Plakate gestohlen“, sagt Tharan. Anzeige wurde nicht erstattet.

Die FDP versteht noch weniger Spaß: „Wir haben in diesem Wahlkampf bisher in fünf Fällen von Sachbeschädigung Anzeige erstattet“, sagt ein FDP-Sprecher. Die Polizei sei dabei auf die Partei zugekommen, die Täter waren schon erfasst. Die SPD gibt sich gelassener. Man habe bisher keine Probleme mit Plakatvandalismus, erklärt Parteisprecher Hannes Höneman.

Laut Innofact sind fast drei Viertel der Befragten vom Wahlkampf enttäuscht, weil die Parteien viel zu wenig über Lösungsvorschläge für Deutschland diskutieren. Mit dem Spruch „Mehr Wachstum – mehr Arbeit“ kann man beinah jede Partei identifizieren, doch macht die FDP damit Werbung. Auch „Gerechte Globalisierung“ lässt nicht zuerst auf die Grünen schließen. Ernste und staatstragende Inszenierung der Spitzenpolitiker bestimmen die Wahlkampfsymbolik.

Da schaffen eben Unbekannte Inhalte, wo keine sind: „Champagner statt Bier“ klebt auf einem Plakat der Linkspartei am Ernst-Thälmann-Platz. In einem TV-Gespräch wollte Oskar Lafontaine um einen Kasten Champagner, Joschka Fischer doch lieber um einen Kasten Bier wetten. Jetzt prostet Gysi plakativ seinem Genossen Lafontaine mit einem Champagnerglas zu. Die Spaßgesellschaft ist noch nicht tot. MARIA KRAUSCH