: Der Überwachte
Es ist nicht der erste Preis für ihn, nicht einmal in diesem Jahr. Aber von jenen, die Bremen – wo er seit über 30 Jahren lebt – zu vergeben hat, einer der renommierteren: Rolf Gössner bekommt den mit 5.000 Euro dotierten Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichon 2013. Er steht damit zwar in einer Reihe mit Udo Lindenberg und dem Ex-Werderaner Marco Bode, aber auch mit dem Wehrmachts-Deserteur Ludwig Baumann, dem Universalgelehrten Ivan Illich oder dem lange als „Terroristenanwalt“ verfehmten Pazifisten Heinrich Hannover, der am Freitag selbst wiederum mit einem Preis bedacht wurde.
Gössner, parteiloser Anwalt, Menschenrechtler und Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte wird für „sein unermüdliches Engagement für die Einhaltung der Grund- und Bürgerrechte“ geehrt, wie es heißt. Und, na ja, weil er gegen den Inlandsgeheimdienst ist. Aus gutem, vor allem eigenem Grund – von 1970 an hat der Verfassungsschutz Gössner 38 Jahre lang beobachtet. Das war zwar rechtswidrig, entschied ein Gericht zuletzt. Gleichwohl kamen allein seit 2000 über 2.000 Blatt an Akten zusammen. Der größte Teil davon wird übrigens weiterhin geheim gehalten.
Der Verfassungsschutz wirft Gössner, der 1980 auch mal taz-Redakteur war und heute für die Linkspartei Deputierter der Bürgerschaft sowie stellvertretender Richter am Bremer Staatsgerichtshof ist, vor, Kontakte zu „linksextremistischen“ oder „linksextremistisch beeinflussten“ Gruppen zu haben. Dazu zählt der Verfassungsschutz etwa die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ sowie die „Rote Hilfe“, eine Soli-Organisation für politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum. Außerdem schrieb er als Jurastudent mal in Zeitungen, die unter DDR-Einfluss standen. Und er findet, „dass man in einer Demokratie mit allen reden muss“. Na, und das der Verfassungsschutz ein Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat ist. Also abgeschafft gehört. Sein Preis, sagt er, sei eine „Anerkennung“ für dieses Engagement. JAN ZIER