WENN’S EIN PAAR TAGE NICHT TAG WIRD, DANN WIRD ES IRGENDWANN SCHWER : Vom Regen
ROGER REPPLINGER
Du machst das Fenster auf und wenn es noch dunkel ist, siehst du ihn nicht. Du kannst gucken, ob die Autos den Scheibenwischer an haben, brauchst du nicht, und du kannst ins Licht der Straßenlaterne gucken, brauchst du auch nicht. Denn du hörst, wie er auf den Blättern knistert.
Wenn du in einer Gegend lebst, wo es halbwegs trocken ist, dann kannst du einen Song über ihn schreiben, ein Gedicht, in dem er vorkommt. Hier kannst du den Kragen hochschlagen, die Mütze in die Stirn ziehen, und den Schirm, den dir ein Kumpel vor drei Jahren geliehen hat, gibst du nie mehr zurück.
Die Psychologen sagen, dass wir muksch werden, ohne Sonne, die Biologen erzählen was von Vitaminen und ich weiß nicht was. Es ist ja auch nicht so, dass er kommt und wieder geht. Er bleibt. Manchmal tagelang. Mal ein bisschen mehr, mal ein bisschen weniger. Es gibt nichts, was eine Stadt tun kann, um das erträglich zu gestalten. Im Kino geht’s.
Wenn das Abendblatt sich mal wieder lustig darüber macht, dass der Weltuntergang auch diesmal nicht stattgefunden hat, dann sollen sie mal hoch gucken, und ich aber sage euch: Das isser. Außerdem regnet es nach der Fusion mit der Welt jetzt auch auf die Schreibtische.
Im Regen joggen ist Mist. Du brauchst Kraft, um dich zu überwinden, da bleibt wenig für die Beine. Du musst deine Brustwarzen einschmieren, sonst scheuern sie auf und bluten. Die Haut an den Zehen schrumpelt und es gibt Blasen. Die Klamotten stinken noch mehr als sonst. Du musst Pfützen ausweichen oder über sie drüber springen. Auf der Brille Tropfen, du siehst nix. Nimmst du die Brille ab, siehst du gar nix. Es macht keinen Spaß. So wenig wie Radfahren.
Ich war ungefähr 14 Tage in Hamburg, da stand ich an einer Ampel am Winterhuder Marktplatz, es goss beängstigend, neben mir eine Frau, die ihre Gesicht dem Nass entgegen streckte und verzückt sagte: „Großartig.“ Da war klar, dass es hier schwer wird.
Vielleicht ist ja der permanente Erwerb von Attraktionen: Elbphilharmonie, van der Vaart, Gondel, alle Bundeskanzler müssen Hamburger sein, jeden Tag Feuerwerk, immer Dom, durchs Wetter erklärbar. Das kannst du keiner Sau zumuten, also muss hier eine Menge Zirkus sein, damit die Leute nicht absaufen. Frag mich nicht, wie sie in Emden am Leben bleiben, oder in Wilhelmshaven, in Flensburg oder auf den Inseln. Sind ein besonderer Schlag.
Wenn’s ein paar Tage nicht Tag wird, dann wird es irgendwann schwer. Es gibt ja auch ohne Wetter genug Grund, traurig zu sein. Kommt das Wetter dazu, gibt es einen Grund weniger, nicht traurig zu sein.
Ich weiß, dass der Regen was mit dem Tod zu tun hat. Ich kann’s nicht erklären, aber Patti Smith:
It’s been a hard timeand when it rainsit rains on methe sky just opensand when it rainsit poursI walk aloneassaulted it seemsby tears from heavenand darling I can’t helpthinking those tears are yours