: „Niemand ist zuständig“
FACHTAG Wie leben Bulgaren und Rumänen in Bremen? Diskussion über eine prekäre Situation
■ kommt aus Polen und arbeitet seit 25 Jahren für die AWO Bremen. Für die Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände übernimmt sie die Aufgabe der Migrations-Koordinatorin.
taz: Zu Ihrer heutigen Fachtagung zu „Neuen Nachbarn aus Bulgarien und Rumänien“ wurden Sie mit Anmeldungen überhäuft. Welches Problem steckt dahinter?
Lucyna Bogacki: Seit dem Beitritt von Rumänien und Bulgarien zur EU verlassen sehr viele Einwohner ihre Heimat und suchen beispielsweise in deutschen Großstädten wie Bremen und Bremerhaven ein besseres Leben. Das Problem besteht darin, dass es noch keine gesetzlichen Grundlagen für ihren Zugang etwa zu Bildung und zum Gesundheitswesen gibt.
Hier gilt weder eine bulgarische Krankenversicherung noch übernimmt das Sozialamt die Behandlungskosten?
So ist es – auch keine andere Stelle ist dafür zuständig. Eine Ärztin aus Bremerhaven sagte mir, dass sie es furchtbar findet, wenn sie bei Bulgaren eine ernsthafte Erkrankung diagnostizieren müsste – sie kann ihnen nicht helfen. Es sind keine Flüchtlinge oder Asylbewerber, für die Versorgungsstrukturen vorgesehen sind – sondern hilfsbedürftige EU-Bürger, deren Situation noch nicht geregelt ist.
Der Status als EU-Bürger kann also nachteilhafter sein als der eines Asylbewerbers?
Für die Menschen aus Rumänien und Bulgarien heißt es: Nichts ist geregelt, aber die Menschen sind da. Dabei geht es übrigens gar nicht überwiegend um Sinti und Roma, wie viele wahrscheinlich vermuten.
Was berichten die Fachleute noch aus der Praxis?
Ein großes Problem ist die Schulverpflegung: Natürlich bekommen alles etwas zu essen, die auf Ganztag-Schulen gehen – aber die Schulen bleiben auf ihren Kosten sitzen. Weil der Zugang zu dem Arbeitsmarkt sehr erschwert ist, werden die Bulgaren und Rumänen von unseriösen Arbeitgebern oft ausgebeutet. Sie arbeiten illegal für zwei oder drei Euro pro Stunde. Bei uns, im Land Bremen. Der einzige Anspruch, den bulgarische und rumänische EU-Bürger hier haben, ist der auf Kindergeld. Dementsprechend gibt es ganze Familien, die allein von Kindergeld leben. Und es gibt Zwei-Zimmer-Wohnungen, in denen 30 Leute angemeldet sind. Diese Zustände müssen endlich öffentlich diskutiert werden. Denn auch die professionellen Helfer aus den Wohlfahrtsverbänden sind damit überfordert.
INTERVIEW: HENNING BLEYL