: Mal so, mal so
INDIE-POP Als Sänger der Indiepopper Death Cab for Cutie und des Elektropopprojekts The Postal Service gilt Benjamin Gibbard seit Jahren geradezu als Maßstab für ein ganzes Genre. Nun präsentiert Gibbard sein erstes Solo-Album „Former Lives“
VON NILS SCHUHMACHER
Als Benjamin Gibbard mag man ihn nicht unbedingt sofort richtig einsortieren können. Indiepop-affinem Publikum ist der Mann von der Westküste der USA allerdings seit Jahren ein guter Wegbegleiter. Immerhin handelt es sich bei ihm um die zentrale singende Figur der bereits seit 1997 bestehenden Death Cab for Cutie. Deren oft melancholisches und gleichzeitig poppiges Oeuvre gilt, auf mittlerweile sieben Alben verteilt, geradezu als Maßstab für ein ganzes Genre, das den Begriff „Indie“ nicht nur mit Schrammelgitarre füllt, sondern in einem etwas größer angelegten Bezugsfeld zwischen Introversion und kompositorischer Cleverness durchbuchstabiert.
Quasi im Vorübergehen verantwortete Gibbard 2003 mit The Postal Service – einer Art Indie-Pet Shop Boys – zudem ein völlig auf traurig umwehte Elektropop-Hits abonniertes Projekt, über das sich mit Abstand von fast zehn Jahren sagen lässt: viele haben es versucht, aber niemand ist seitdem so recht herangekommen. Was nicht zuletzt auch an Gibbards in der Regel eher hoch angesetztem, in Weichheit gebadetem Gesang liegt.
Nun ist nach diesen Bands und weiteren Projekten mit „Former Lives“ Benjamin Gibbards erstes „offizielles“ Solo-Album erschienen. Die Schnittmengen zu bereits Bekanntem liegen dabei quasi auf der Hand: man kennt die Stimme schon und auch Gibbards Gespür für gute Arrangements. Abgesehen davon weicht das Werk aber in wesentlichen Punkten, vor allem stimmungsmäßig, ab. Zunächst einmal, so geht die Geschichte, soll „Former Lives“ zwar so etwas wie einen kreativen Befreiungsakt darstellen, gleichzeitig auch im Zusammenhang mit der Überwindung der üblichen Begleiterscheinungen popkultureller Berufstätigkeit (wenig maßvoller Konsum von Rauschmitteln, zerrüttete Liebesbeziehungen) stehen.
Ganz so karthatisch ist – und klingt – es dann aber doch nicht. Praktisch versammelt die Platte nämlich Songs, die in einem Zeitraum von acht Jahren entstanden sind und durch das Raster der Hauptband und der anderen Projekte fielen. Eine vergleichsweise klar konturierte Stimmung ist so nur bedingt zu entdecken. Als roter Faden taugt möglicherweise die vergleichsweise aufgeräumte, mitunter sogar fast ausgelassene Grundatmosphäre, die die zwölf Lieder durchzieht.
Ansonsten aber klingt Gibbard mal so und mal so. Wo er sich auf seine Akustikgitarre verlässt, wie eine stimmlich und emotional gefestigte Version von Elliott Smith. Wo mehr Instrumentierung ins Spiel kommt, wahlweise nach britischem oder nach US-Westcoast-Pop. Und wo er auf der bekannteren Klaviatur spielt, richtig: nach jenem melancholischen Oeuvre, das man nicht zuerst mit seinem Namen verbindet.
■ Do, 29. 11., St. Johanniskirche, Bei der Johanniskirche 22