: Römermünzen aus dem Bankschließfach
GELDWÄSCHE Das Kestner-Museum in Hannover erhält 618 antike Münzen aus „präventiver Gewinnabschöpfung“. Ihr Vorbesitzer hatte sie in einer Plastiktüte durch die Stadt getragen
Lange regiert hat er nicht, der römische Kaiser Otho: gerade einmal drei Monate, vom 15. Januar bis zum 16. April 69. Nach verlorener Schlacht gegen seinen Konkurrenten Vitellius stach er sich einen Dolch in den Leib – wie es heißt, um einen lange andauernden Bürgerkrieg zu vermeiden.
Eine der wenigen Münzen, die Otho in seiner kurzen Amtszeit schlagen lassen konnte, ist im Jahr 2003 in einem hannoverschen Bankschließfach entdeckt und am Mittwoch zusammen mit 617 weiteren Stücken dieses Schatzes dem Kestner-Museum Hannover übergeben worden. Dadurch werden sie dem unerwünschten Handel mit illegal ausgegrabenen Antiken entzogen – und vervollständigen eine der bedeutendsten Münzsammlungen Deutschlands. Das Museum profitiert von einer Regelung, die erst vor wenigen Jahren eingeführt worden ist, um der Geldwäsche einen Riegel vorzuschieben: der „präventiven Gewinnabschöpfung“.
Wie Simone Vogt vom Kestner-Museum erzählt, war eine Bankangestellte auf einen Mann aufmerksam geworden, der nicht Kunde des Hauses war, aber ein Schließfach mieten wollte. Polizei und Staatsanwaltschaft forschten nach und kamen zu dem Schluss, dass die Münzen von einer illegalen Ausgrabung stammen mussten: Ein Experte habe festgestellt, dass solche Münzen nicht legal gehandelt würden, berichtet Hans-Jürgen Lendeckel von der Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte, ein Bulgare, habe behauptet, die Münzen in Hannover ersteigert zu haben. Dabei habe es eine solche Versteigerung gar nicht gegeben. Anders als bei Sammlungen üblich, gebe es viele Münzen mehrfach. Überdies habe sich der Beschuldigte auffällig verhalten. „Der hat die Münzen in einer Plastiktüte herumgetragen“, sagt der Staatsanwalt.
Auch wenn unklar sei, woher die Münzen stammten, sei also klar, dass sie illegal erworben wurden. „Früher wurden solche Sachen dem Beschuldigten zurückgegeben“, sagt Lendeckel. Nach dem neuen Gesetz fielen sie in Niedersachsen an die Kommunen. Die Illegalität werde als Störung der öffentlichen Ordnung betrachtet. In Hannover habe es sich angeboten, sie dem Museum anzutragen statt sie zu verkaufen.
„Wenn man sie nicht verkauft, haben alle was davon“, findet die Numismatikerin Vogt. Im Falle eines Verkaufs würde die Stadt zudem den Handel mit derlei Pretiosen fördern, was aus Sicht der Wissenschaftlerin nicht wünschenswert ist. Werden solche Stücke unsachgemäß ausgegraben, geht ein großer Teil der Informationen verloren, die sie liefern können: Wurden sie zusammen als Schatz deponiert? Wann und wo wurden sie vergraben oder verschüttet?
„Von der historischen Aussage her sind die Münzen nicht so wertvoll“, sagt Voigt. Mit den Bildnissen von Otho und Pescennius Niger (193/ 194) seien aber Münzen von zwei Kaisern dabei, die nur sehr kurz herrschten. Ihre Porträts sind auf Denaren abgebildet, Silbermünzen, die über Jahrhunderte zu den gängigsten im Römischen Reich gehörten. Beide versuchten in einem Jahr zu herrschen, in dem es vier Thronaspiranten gab, so dass die von ihnen geschlagenen Münzen selten sind und im Kestner-Museum bisher fehlten. Nichtsdestotrotz werden sie im Internet angeboten. Für Otho werden Preise zwischen 1.500 und 11,50 Euro verlangt – allerdings ohne Echtheitsgarantie. GERNOT KNÖDLER