Die jüngste Volkspartei
: KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

Ein bisschen zu oft haben die Grünen auf ihrem Parteitag betont, sie wollten „keine Kontaktanzeige“ aufgeben und sich keinesfalls „an die CDU ranwanzen“. Genau darum ging es am Wochenende in Oldenburg: um ein Signal der Offenheit in alle Himmelsrichtungen der Politik.

Als ob die Grünen ein solches Inserat in der Rubrik „Bekanntschaften“ nötig hätten. Dass sie zu haben sind, hat sich längst herumgesprochen, so sehr verkörpern sie schon die politische Mitte der Bundesrepublik: mit ihrer Mischung aus Zukunftsangst und Fortschrittsglauben, aus Reformverlangen und Sozialstaatlichkeit, aus Umweltbewusstsein und Konsumfreude.

Wo dabei das Problem der jüngsten Volkspartei liegt, lässt sich an der Sitzordnung des Bundestags ablesen. In ihrer Mittelposition zwischen Union und SPD saßen die Grünen bisher an der Trennlinie zwischen zwei Lagern, jetzt aber sitzen sie zwischen zwei Koalitionspartnern. Sie werden von den übermächtigen alten Volksparteien nicht nur optisch erdrückt, sondern auch inhaltlich in Frage gestellt.

Bislang erhoben die Grünen gern den Anspruch, jenseits des kleinkarierten Parteienzwists das objektiv Vernünftige zu exekutieren. Genau auf dieses Ticket aber wird die große Koalition der schwarz-roten Pragmatiker ebenfalls setzen – lautstark orchestriert vom marktliberalen Geschrei der FDP zur Rechten und der Sozialstaatsrhetorik der PDS zur Linken. Anders als diese beiden Flügelparteien wollen die Grünen nicht alles anders machen als die große Koalition, sondern nur vieles besser. Mit einer solchen Parole haben sie als dritte und kleinste Volkspartei aber nur wenig Aussicht auf öffentliche Wahrnehmung.

Dass die Grünen mit den anderen vier Bundestagsparteien, vor allem aber mit den beiden anderen Volksparteien viel gemeinsam haben, brauchen sie längst nicht mehr zu beweisen. Auf die Unterschiede kommt es an. Als Wähler wüsste man gerne, was die Grünen in einer Koalition mit wem auch immer eigentlich anders machen würden, welchen politischen Kurswechsel sie der SPD oder eines Tages auch der Union denn abringen wollen. Auf diese Frage haben sie noch keine überzeugende Antwort gefunden.