: Wo ich einmal verloren war
Der Mann hört nicht auf zu reden, er muss verlernt haben, Pausen zwischen Sätzen zu setzen, oder denken, alles Gedachte müsse gesagt werden. Er nimmt sich von den Chilischoten, was sagen Sachsen, fragt er die Frauen mit den Kopftüchern, sie verstehen seine Sprache und auch sein berlinertes Englisch nicht, wenn sie einen Weihnachtsbaum kaufen?
Es riecht nach scharfer Suppe, die ganze Zeit schon, draußen, drinnen, im Flugzeug, im Dschungel, die Hitze, feucht und drückend, hat es in den klimatisierten Raum geschafft, sie hängt im Nacken, unter dem Haar. Der Mann trinkt einen Apple Drink, Ist ja weiß, sagt er jetzt, schäumt auch irgendwie, also, wenn das Apfel sein soll. Am Tisch packen sie Nelkenzigaretten aus, Sampoerna Mild. Zu Hause, wo es bald schneit, packt jemand Koffer, diesmal muss er lange weg, in die entgegengesetzte Richtung von hier, über den Atlantik und in ein Land, in dem die Wälder größer und die Berge höher sind.
So ist das, könnte man denken, als noch mehr von der Suppe kommt, die nur scharf schmeckt und im Rachen schmerzt, wenn man den Chilischotentopf über der Brühe auskippt, die ersten tauschen Blicke aus, dieser nervige Typ aus Brandenburg, was will der denn?, so ist das mit der Liebe und der Heimat und solchen Gruppenreisen: Sie sind oft befristet.
Viel zu weiß und gar nicht sauer!, der Mann stellt den Apple Drink ab, dann fällt ihm der Weihnachtsbaum wieder ein. Ä Dännschen, please, das würden die Sachsen nämlich sagen, ä Dännschen. Die Frauen sind höflich, sie kichern, attention please, attention please. That’s funny.
ANNABELLE SEUBERT
■ Wo fühlte sich die sonntaz-Redakteurin verloren? Raten Sie, gewinnen Sie. Was, steht im Editorial auf Seite 15. Ihre Antworten schicken Sie bitte an sonntaz@taz.de