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Archiv-Artikel

Im Namen des Volkes

Heute verhandelt das Landesverfassungsgericht über ein Volksbegehren gegen die umstrittene Risikoabschirmung bei der Bankgesellschaft. Bürgerinitiative will die Berliner entscheiden lassen

VON RICHARD ROTHER

Der milliardenteure Berliner Bankenskandal beschäftigt nicht nur Straf-, Zivil- und Arbeitsgerichte, sondern mittlerweile auch den Landesverfassungsgerichtshof. Und der könnte im Fall des Falles den rot-roten Senat bei der Lösung des größten Problems, der umstrittenen Risikoabschirmung, auf eine ungemütliche Position schicken: zurück auf Start!

Das Risikoabschirmungsgesetz verpflichtet das Land Berlin, für Verluste von Alt-Immobilienfonds der mehrheitlich landeseigenen Bankgesellschaft aufzukommen – und zwar bis zu einer Höhe von rund 21 Milliarden Euro. Wie hoch diese Verluste, die Berlin in den nächsten drei Jahrzehnten zu tragen hat, tatsächlich sein werden, ist zurzeit völlig unklar; bisherige Schätzungen reichen von drei bis acht Milliarden Euro.

In einer mündlichen Verhandlung befasst sich heute das Berliner Verfassungsgericht mit der Frage, ob der Senat ein Volksbegehren zur Risikoabschirmung ablehnen durfte. Wie berichtet, hatte die Bürgerinitiative „Berliner Bankenskandal“ im Jahr 2004 mehr als 30.000 Unterschriften gesammelt, um die Einleitung eines Volksbegehrens gegen das Risikoabschirmungsgesetz vom April 2001 auf den Weg zu bringen. Mit dem Volksbegehren möchte die Bürgerinitiative einen Volksentscheid herbeiführen, mit dem dieses Gesetz zu Fall gebracht werden soll. So will die Bürgerinitiative verhindern, dass die Risikoabschirmung den Landeshaushalt auf Jahrzehnte hinaus enorm belastet. Sie sei eben nicht – wie der Senat betont – alternativlos.

Die Höhe des tatsächlichen Schadens hängt von der Entwicklung des Immobilienmarktes ab, die kaum vorhersehbar ist. Bereits in diesem Jahr waren 300 Millionen Euro für die Risikoabschirmung im Landeshaushalt vorgesehen, wirklich gebraucht wurde bislang aber deutlich weniger.

Das Verfassungsgericht hat allerdings nicht die Rechtmäßigkeit dieses Gesetzes zu beurteilen, sondern lediglich die Frage, ob ein Volksentscheid dagegen zulässig ist. Die Einleitung des Volksentscheides hatte der Senat mit dem Argument abgelehnt, dieser betreffe den Landeshaushalt und sei deshalb nicht zulässig. Zudem hatte der Senat immer wieder betont, die Alternative zur Risikoabschirmung – die Insolvenz der Bankgesellschaft – würde am Ende viel teurer sein. Zudem sind etliche Fakten geschaffen, die eine Rückabwicklung der Risikoabschirmung immer schwieriger erscheinen lassen: Das Gesetz wird längst umgesetzt, und die EU-Kommission drängt vehement auf den Verkauf der Bank.

All dies könnte in Gefahr geraten – wenn das Verfassungsgericht der Bürgerinitiative Recht gibt. Aber selbst in diesem Fall wäre es noch ein weiter Weg, um das Risikoabschirmungsgesetz zu kippen. Denn die Sammlung von mindestens 25.000 Unterschriften war nur die erste Phase des Volksbegehrens.

Die zweite Phase, wie sie in der Berliner Verfassung geregelt ist, ist eine viel höhere Hürde. Dann muss ein Zehntel der Berliner Wahlberechtigten – also knapp 250.000 Menschen – persönlich ein entsprechendes Votum bei dem für sie zuständigen Bezirksamt abgeben, und zwar innerhalb von zwei Monaten. Erst wenn dies für die Bürgerinitiative erfolgreich verliefe, würde der eigentliche Volksentscheid durchgeführt.

Entsprechend gelassen reagiert denn auch die Senatsfinanzverwaltung. Das Verfahren vor dem Verfassungsgericht werde „interessiert, aber in aller Ruhe verfolgt“, sagte Behördensprecher Matthias Kolbeck gestern.

Für die Bürgerinitiative ist allerdings die mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgericht schon eine Art Teilerfolg. Denn das Gericht hätte auch ohne mündliche Verhandlung urteilen können, „dass es das nicht macht, hat sicherlich Gründe“, vermuten die Bankkritiker. Ihr Urteil steht ohnehin fest: „Der Bankenskandal ist die unverschämteste Umverteilung zu Lasten der Bürger, zum Vorteil der Banker, der Politiker, Fondsanleger, des Kapitalmarktes und weiterer Profiteure!“ Außerdem sei der Bankenskandal ein „eklatanter Verstoß gegen demokratische und rechtsstaatliche Normen“.